Die Dunklen Wasser Des Todes: Roman
berichten«, sagte er zu Nikephoros. »Sie sollen es aus meinem eigenen Munde erfahren. Ich möchte dabei sein, wenn sie die frohe Botschaft hören.«
Nikephoros nickte. »Natürlich. Ihr findet Anastasios in Galata, im Haus des Avram Schachar.«
»Nicht hier? Nicht in seinem eigenen Haus?« Ein ängstlicher Schauder überlief ihn. »Warum? Ist etwas geschehen? « Mit einem Mal schien ihm seine Nachricht nicht mehr wichtig. Er begriff, wie sehr er sich darauf gefreut hatte, sie Anastasios mitzuteilen.
»Ihr werdet sehen, dass er sich sehr … verändert hat«, gab Nikephoros zurück. »Aber es geht ihm gut.«
»Verändert? Inwiefern?«
»Schachar wohnt in der Straße der Apotheker. Ihr werdet sehen, dass sich alles von selbst erklärt. Geht hin. Bevor sie nach Süden ziehen. Leo und Simonis sind bereits gestern nach Galata aufgebrochen. Euch bleibt wenig Zeit.« Er lächelte. »Byzanz steht tief in Eurer Schuld, und man wird Euch nie vergessen, was Ihr getan habt.«
Giuliano ergriff erneut seine Hand, wobei ihm der Ring des Kaisers tief ins Fleisch drückte, dann wandte er sich um und ging.
Sobald Michael Palaiologos, der auf einer Stufe mit den Aposteln stehende Kaiser, allein war, suchte er seine Privatgemächer auf und schloss die Türen hinter sich. Er war ermattet. Der lange Kampf hatte ihn ausgelaugt, und ihm war bewusst, dass es gegen seine Schwäche kein Mittel gab.
Er trat vor einen Wandschrank, nahm den Schlüssel, der ihm um den Hals hing, und schloss auf.
Da war sie, wie immer, die vom Evangelisten Lukas gemalte Muttergottes in ihrer ganzen Schönheit, die ihm Zoe Chrysaphes geschenkt hatte. Er kniete vor dem Bild nieder, wobei ihm die Tränen über das Gesicht liefen.
»Danke«, sagte er schlicht. »Trotz unserer Schwäche und unserer Zweifel hast du uns vor unseren Feinden bewahrt und, was ein noch größeres Wunder ist, vor uns selbst.«
Er bekreuzigte sich auf die altüberlieferte griechische Weise, ohne sich von den Knien zu erheben.
Die Zeit, die nötig war, um vom Palasthügel zum Hafen zu gelangen, kam Giuliano wie eine Ewigkeit vor. Seine Gedanken jagten sich. Was für eine Art von Veränderung mochte das sein, von der Nikephoros gesprochen hatte? Er
wollte keinen anderen Anastasios sehen als den mutigen und leidenschaftlichen, den sanften und geistreichen, den er kannte. Ihm lag sehr daran, denselben warmherzigen, klugen und verletzlichen Menschen wiederzusehen, der ihm so ans Herz gewachsen war.
Nachdem er mit einem Fährboot nach Galata übergesetzt hatte, eilte er unter der heißen Sommersonne zur Straße der Apotheker. Auch dort kam er an leeren Geschäften und Märkten sowie an verlassenen Häusern vorüber. Schon bald würde sich die Nachricht von der Bewahrung der Stadt wie ein Lauffeuer verbreiten, doch er wollte unbedingt, dass Anastasios sie aus seinem Munde erfuhr.
»Wo wohnt Avram Schachar?«, fragte er einen Mann, der gerade seine Tür öffnete und hinaussah.
Der Angesprochene wies ihm die Richtung.
Giuliano dankte ihm und beschleunigte den Schritt.
Als er das Haus erreicht hatte, hämmerte er gegen die Tür, ohne zu bedenken, wie unhöflich das war.
»Entschuldigung«, sagte er, kaum dass ihm geöffnet wurde. »Ich suche Anastasios Zarides. Ist er hier?«
Schachar nickte, trat aber nicht beiseite und bat ihn auch nicht herein.
»Ich bin Giuliano Dandolo, ein Freund. Ich habe wunderbare Nachrichten. Charles von Anjou bedeutet keine Gefahr mehr. Seine Flotte ist untergegangen – alle seine Schiffe liegen verbrannt auf dem Meeresboden. Ich möchte derjenige sein, der es Anastasios berichtet …« Als er merkte, dass er haltlos drauflosredete, holte er Luft, um etwas zur Ruhe zu kommen. »Bitte.«
Schachar nickte langsam und musterte Giulianos Gesicht. »Und das stimmt?«
»Ja. Ich schwöre es. Ich habe es dem Kaiser bereits mitgeteilt.
Aber ich möchte es Anastasios selbst sagen – und Euch.«
Auf Schachars Gesicht trat der Ausdruck tief empfundener Freude. »Ich danke Euch. Tretet ein.« Er öffnete die Tür und wies auf einen Raum am hinteren Ende des Ganges. »Die Kräuterkammer ist dort. Bestimmt macht sich Anastasios gerade darin zu schaffen. Niemand wird Euch stören.« Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, überlegte es sich dann aber anders.
»Danke.« Giuliano eilte an ihm vorüber auf die Tür zu. Dann überfiel ihn eine sonderbare Beklommenheit. Was für eine Veränderung mochte Nikephoros gemeint haben? Was war geschehen? Ob Anastasios
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