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Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Titel: Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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er die schwarz gestrichene Tür der Kabine öffnete. Der Junge lag auf dem Boden, um den Fuß der Toilettenschüssel gewickelt, als wollte er das Porzellan umarmen. Das feuerrote Haar wirkte im kalten Licht der Neonröhren matt und bleich, und die Sommersprossen waren auf der wächsernen, bläulich verfärbten Haut kaum auszumachen. Das T-Shirt des kleinen Jungen war hochgezogen, sodass die Arme und der untere Teil des Gesichts bedeckt waren, die bleiche Haut von Rücken und Bauch jedoch entblößt. Sonst hatte er nichts an.
    »Du armer kleiner Wurm …«
    Logan kniff die Augen zusammen und inspizierte den nackten Körper des Kindes aus sicherer Entfernung, um keine Spuren zu verwischen. Peter Lumley war anders als der kleine Junge, den sie im Graben gefunden hatten. Peter Lumley war anatomisch noch unversehrt.
    Allmählich wurde es in der Toilette ein wenig eng. Kurz nach dem Bereitschaftsarzt und der Spurensicherung war auch Insch aufgetaucht, fluchend und mit hochrotem Kopf. Die Spusis waren den Anweisungen entsprechend in Zivilkleidung gekommen und hatten den weißen Van mit der ganzen Ausrüstung auf dem Parkplatz neben der St. Machar’s Cathedral stehen lassen, wo er weniger auffallen würde.
    Während Insch sich den Schnee von den Schuhen stampfte, zwängten sich die Spusis und alle anderen in ihre weißen Overalls, schlotternd und mit den Zähnen klappernd und über die elende Kälte schimpfend.
    »Also, was ist der Stand der Dinge?«, fragte Insch, während der Bereitschaftsarzt seinen Schutzanzug schon wieder abstreifte und sich in einem der Waschbecken die Hände zu waschen versuchte.
    »Der arme kleine Bursche ist tot. Keine Ahnung, wie lange schon. Er ist mehr oder weniger steif gefroren. Bei diesem Wetter kann man die gute alte Leichenstarre als Kriterium glatt vergessen.«
    »Todesursache?«
    Der Doktor trocknete sich die Hände an der Innenseite seiner flauschigen Jacke ab. »Sie müssen sich das noch von der Eiskönigin bestätigen lassen, aber für mich sieht’s nach Erdrosseln aus.«
    »Wie beim letzten Mal.« Insch seufzte und senkte die Stimme, da schließlich auch noch lebende Kinder in der Nähe waren. »Irgendwelche Anzeichen für eine Vergewaltigung?«
    Der Arzt nickte, und Insch seufzte erneut.
    »Na denn.« Der Arzt hantierte mit den Klett- und Reißverschlüssen seiner aus mehreren Schichten bestehenden Thermokleidung. »Wenn Sie mich nicht mehr brauchen, verzieh ich mich mal an einen etwas wärmeren Ort. Wie zum Beispiel Sibirien.«
    Nachdem das Opfer nun offiziell für tot erklärt worden war, machten sich die Spusis daran, alles einzusammeln, was sie mit ihren behandschuhten Händen zu fassen bekamen, während der Apparat des Fotografen klickte und sirrte und der Kameramann alles und jeden auf Video bannte. Das Einzige, was sie nicht anrührten, war die Leiche. Keiner wollte den Zorn der Pathologin auf sich ziehen. Isobel hatte inzwischen offenbar einen Ruf wie Donnerhall, wie Logan nach seiner Rückkehr in den Dienst hatte feststellen können.
    »Heute ist es eine Woche her, nicht wahr?«, fragte Insch, als sie mit dem Rücken zur Wand standen und den Spurensicherern bei der Arbeit zusahen. Logan nickte, worauf Insch eine Tüte Gummibärchen aus der Tasche zog und allen davon anbot. »Eine Woche – und was für eine«, meinte er kauend. »Wollen Sie nicht demnächst mal ein paar Wochen Urlaub nehmen? Nur so lange, bis die Kriminalstatistik wieder auf einen normalen Wert gesunken ist?«
    »Ha, ha, sehr witzig.« Logan steckte die Hände in die Jackentaschen und versuchte, nicht an das Gesicht von Peter Lumleys Stiefvater zu denken, wenn sie ihm mitteilten, dass sie den Jungen gefunden hatten.
    Insch deutete mit dem Kinn in Richtung der drei Kinder, die in der überfüllten Toilette herumstanden und langsam blau anliefen. »Was ist mit denen da?«
    Logan zuckte die Achseln. »Sie sagen, sie hätten hier im Park gespielt und Schneemänner gebaut. Dann musste eins von ihnen pinkeln, also sind sie hier rein, und da haben sie die Leiche gefunden.« Er sah zu ihnen hinüber: zwei Mädchen von acht und zehn Jahren und ein Junge, mit sechs der Jüngste von den dreien. Geschwister. Sie hatten alle die gleiche Sprungschanzen-Nase, die gleichen großen braunen Augen.
    »Arme Kinder«, sagte Insch.
    »Von wegen arm«, erwiderte Logan. »Was glauben Sie denn, wie die hier reingekommen sind? Haben den Türriegel mit einem zwanzig Zentimeter langen Schraubenzieher bearbeitet und das

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