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Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Titel: Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart MacBride
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eigentlich sollte er gar nicht hier sein. Und ihm graute vor einem weiteren Telefonat mit dem verzweifelten Mann. Also setzte er sich stattdessen an seinen Schreibtisch und starrte das Foto von Geordie Stephenson an. Versuchte, irgendetwas aus diesen toten Augen herauszulesen.
    Millers Geschichte von den verkauften Frauen hatte seine grauen Zellen in Bewegung gebracht. Irgendjemand in Aberdeen will eine Frau kaufen, und dann taucht Geordie auf; im Auftrag eines der größten Frischfleisch-Importeure des Landes ist er zufällig geschäftlich in der Stadt. Vielleicht nicht im selben Geschäft – nicht Prostitution, sondern Immobilien –, aber dennoch …
    »Das ist wirklich saudumm gelaufen, was, Geordie?«, sagte er zu dem Foto aus dem Leichenschauhaus. »Da kommst du aus dem fernen Edinburgh hier rauf, um einen kleinen Job zu erledigen, und am Ende treibst du mit abgehackten Kniescheiben tot im Hafenbecken. Hast es nicht mal geschafft, einen Mitarbeiter des Bauamts zu bestechen. Ich frage mich, ob du deinem Boss gesagt hast, dass jemand Interesse daran hatte, eine Frau zu kaufen. Cash auf die Hand und keine dummen Fragen.«
    Geordies Obduktionsbericht lag immer noch ungelesen auf Logans Schreibtisch. In der letzten Woche hatten sich die Ereignisse so überschlagen, dass er einfach nicht dazu gekommen war. Er griff nach dem Schnellhefter und begann ihn durchzublättern, als plötzlich sein Handy losplärrte.
    »Logan.«
    »Sergeant?« Es war DI Insch. »Wo sind Sie?«
    »Im Präsidium.«
    »Logan, haben Sie denn kein Zuhause? Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie sollen sich eine nette Kollegin schnappen und sich mit ihr amüsieren?«
    Logan lächelte. »Ja, Sir. Tut mir Leid, Sir.«
    »Na, dafür ist es jetzt jedenfalls zu spät.«
    »Sir?«
    »Sehen Sie zu, dass Sie auf dem schnellsten Weg in den Seaton Park kommen. Ich habe gerade einen Anruf bekommen: Sie haben Peter Lumley gefunden.«
    Logans Herz krampfte sich zusammen. »Verstehe.«
    »Ich bin dort in etwa … Meine Güte, das ist der reinste Schneesturm hier draußen! Sagen wir vorsichtshalber in dreißig Minuten. Vielleicht vierzig. Und machen Sie’s möglichst unauffällig, Sergeant. Kein Blaulicht, keine Sirenen, kein Tamtam, okay?«
    »Ja, Sir.«
    Der Seaton Park war im Sommer ein recht einladender Ort – weite, sanft geschwungene Rasenflächen; hohe, alte Bäume; ein Musikpavillon. Man konnte sich zum Picknick auf dem Gras niederlassen, ein spontanes Fußballmatch organisieren oder auch ein spontanes Techtelmechtel im Gebüsch. Oder sich nach Einbruch der Dunkelheit überfallen und ausrauben lassen. Der Park war nur einen Steinwurf von den Studentenwohnheimen der Universität von Aberdeen entfernt, was für einen stetigen Nachschub an naiven Erstsemestern mit gut gefülltem Geldbeutel sorgte.
    An diesem Sonntag aber sah es hier aus wie bei Außenaufnahmen für Doktor Schiwago . Der Himmel war im Lauf des Tages nicht wesentlich heller geworden; stattdessen hing er einfach nur da und schüttete alles mit Schnee zu.
    Logan stapfte durch den Park, im Schlepptau einen nach Eskimoart vermummten Polizisten. Dieser linke Hund benutzte Logan als Windschutz, während sie sich durch den Schnee vorarbeiteten. Ihr Ziel war ein niedriger Betonbau in der Mitte des Parks, dessen eine Außenwand mit einer weißen Schneedecke überzogen war. Die öffentlichen Toiletten waren den Winter über geschlossen. Wer trotzdem ganz dringend musste, war gezwungen, sich in die Büsche zu schlagen und Eiswürfel zu pinkeln. Sie gingen um die Baracke herum, froh, dem schneidenden Wind entkommen zu sein, und fanden den Eingang zur Damentoilette hinter einem kleinen Mauervorsprung.
    Die Tür stand einen Spaltbreit offen; dort, wo ein Vorhängeschloss sie sichern sollte, war das Holz zersplittert und gespalten. Das schwere Messingschloss war noch da, hing aber nutzlos an seinem metallenen Bügel. Logan stieß die Tür auf und betrat die Damentoilette.
    Hier drin schien es sogar noch kälter zu sein als draußen. Zwei Uniformierte passten auf drei dick eingemummte Kinder auf, zwischen sechs und zehn Jahre alt, deren Atem in weißen Wölkchen aufstieg. Die Kleinen schienen sich nicht entscheiden zu können, ob sie nun aufgeregt oder gelangweilt sein sollten.
    Einer der Uniformierten blickte von seinen Schutzbefohlenen auf. »Die dritte Kabine.«
    Logan nickte und ging hinein, um sich anzusehen, was sie gefunden hatten.
    Peter Lumley war nicht mehr am Leben. Das wusste Logan in dem Moment, als

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