Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
und der Ankündigung eines Wohltätigkeitsbasars teilen musste. Es war ein guter Artikel, auch wenn er relativ weit hinten in der Zeitung versteckt war. Miller hatte Roadkill als durchaus sympathischen Menschen dargestellt, dessen psychische Probleme durch den tragischen Tod seiner Mutter ausgelöst worden waren. Ein intelligenter Mann, der von der Gesellschaft fallen gelassen wurde und der sich nun, so gut er es eben vermochte, in einer für ihn verwirrenden Welt zurechtzufinden versuchte. Ein Artikel wie dieser konnte durchaus zu dem Eindruck beitragen, dass die Grampian Police gewusst hatte, was sie tat, als sie ihn auf freien Fuß gesetzt hatte.
Und wäre das an diesem Morgen der einzige Artikel von Colin Miller in der P & J gewesen, dann wären alle im Polizeipräsidium glücklich und zufrieden gewesen.
Millers zweite Story füllte die gesamte Titelseite, und darüber prangte die fette Schlagzeile: » Kindermörder schlägt erneut zu! Junge in Toilette tot aufgefunden! «
»Wie zum Donnerwetter hat er das rausgekriegt?« Insch ließ die Faust mit solcher Wucht auf den Tisch niederkrachen, dass Becher, Papiere und alle im Besprechungsraum Versammelten einen Satz machten.
Der Plan, den Mörder zu schnappen, wenn er zurückkäme, um sich seine Trophäe zu holen, war hochoffiziell in die Hose gegangen. In allen grausigen Details war der Fall auf der Titelseite der Press and Journal ausgebreitet, kommentiert im Tonfall tiefster Entrüstung.
»Das war unsere einmalige Chance, diesen Dreckskerl zu erwischen, ehe er noch mal zuschlägt!« Insch packte die Zeitung und schwenkte die Titelseite zornbebend in Richtung seiner Leute. »Wir hätten ihn kriegen können! Jetzt wird noch ein Kind sterben müssen, nur weil irgendein blödes Arschloch den Mund nicht halten konnte!«
Er schleuderte die Zeitung quer durch den Raum. Sie wirbelte durch die Luft, knallte an die Wand und flatterte als wirrer Wust von Blättern zu Boden. Hinter Insch stand Inspector Napier im großen Dienstanzug und sah aus wie eine rothaarige Version des grimmigen Sensenmannes. Schweigend und mit gefurchter Stirn durchbohrte er sie alle mit seinen Blicken, während Insch tobte.
»Ich sage Ihnen, was ich tun werde«, fuhr Insch fort und steckte die Hand in die Jackentasche, um eine dicke braune Lederbörse hervorzuholen. Er öffnete sie und zog ein Bündel Scheine heraus. »Der Erste, der zu mir kommt und mir einen Namen nennt, kriegt das hier.« Er knallte das Geld auf den Tisch.
Es war einen Augenblick still. Dann zückte Logan seinen Geldbeutel und legte sein ganzes Bargeld auf das des Inspectors.
Und das löste einen wahren Massenansturm aus: Uniformierte, Detectives und Sergeants leerten allesamt ihre Taschen und warfen ihr Geld auf den Haufen. Am Ende lag ein hübsches Sümmchen vorn auf dem Tisch. Es hatte gewiss schon üppigere Belohnungen gegeben, aber diese hier kam von Herzen.
»Ist ja alles ganz nett«, meinte Insch mit einem gequälten Lächeln, »aber wir wissen leider immer noch nicht, wer das Klatschmaul ist.«
Die Polizisten gingen zu ihren Plätzen zurück, und der Inspector sah ihnen mit einem Anflug von Stolz in der Miene nach. Napiers Gesichtsausdruck war weniger leicht zu deuten: Sein Blick schien auf der Suche nach Anzeichen von Schuldbewusstsein über die Gesichter zu schweifen, wobei er Logan ungemütlich lange ins Visier nahm.
»Also«, sagte Insch. »Entweder haben wir hier unter uns ein verlogenes Schwein, das glaubt, aus dem Schneider zu sein, wenn es auch sein Scherflein dazulegt, oder Millers Maulwurf arbeitet in einer anderen Abteilung. Ich hoffe, es ist Letzteres.« Das Lächeln schwand aus seinem Gesicht. »Denn wenn es jemand aus diesem Team ist, werde ich denjenigen höchstpersönlich ans Kreuz nageln.« Er wuchtete sich auf die Tischkante. »Sergeant McRae, verteilen Sie die Aufgaben.«
Logan las die Liste der Namen vor und schickte die Suchteams los, die den verschneiten Park durchkämmen sollten. Andere Gruppen sollten von Tür zu Tür gehen und fragen, ob jemand den Transport der Leiche beobachtet hatte. Alle Übrigen sollten den zahlreichen Anrufen besorgter Bürger nachgehen. Die meisten waren eingegangen, kurz nachdem Roadkills Entlassung bekannt geworden war. Verblüffend, wie viele Leute sich plötzlich daran erinnerten, ihn mit seinem Karren in der Nähe der Orte gesehen zu haben, an denen die vermissten Kinder sich zuletzt aufgehalten hatten.
Dann war die morgendliche Einsatzbesprechung endlich
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