Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
von den Toten auferweckt, nicht wahr?«, fragte der Inspector. »Nun, ich bin zwar nicht religiös, Sergeant, aber bei Ihrer Karriere scheint sich dieser Trick wiederholt zu haben.« Er tippte auf die Schlagzeile: » Killer-Rentner festgenommen: Polizeiheld kämpft um sein Leben! « Das Foto darunter zeigte Desperate Doug nach seiner Verurteilung wegen des tätlichen Angriffs mit einem Ratschenschraubenzieher auf einen Baustoffhändler, den er damit zum Krüppel gemacht hatte. Mit seinem milchig weißen Auge, den gefletschten Zähnen und den Flammen-Tattoos sah er nicht gerade wie der nette Opa von nebenan aus.
Miller hatte seinen ganzen Kredit bei der Zeitung ausgereizt, um die neue Titelseite durchzusetzen. Wobei der Nachrichtenwert vielleicht auch einen Deut höher war als der von » Traumstart für Spendenaktion in Tillydrone!«
»Inspector Napier spuckt Gift und Galle.« Ein Lächeln breitete sich über Inschs Gesicht aus. »Also, da Sie nun doch nicht gefeuert werden, meint DI Steel, Sie könnten sich doch ins Krankenhaus bequemen und Desperate Dougs Aussage aufnehmen.«
»Ich? Will sie das denn nicht selbst machen?« Als Detective Sergeant durfte man normalerweise keinen Mordverdächtigen vernehmen, ohne dass ein DI einem dabei auf die Finger schaute.
»Nein, sie sagte so was Ähnliches wie: ›Wozu hat man denn seine Leute?‹ Also, dann mal ab mit Ihnen.«
Für den Auftrag requirierte Logan den nächsten in einer langen Reihe rostiger Vauxhalls sowie Constable Watson. Sie sprach kein Wort, als sie den Wagen vom Parkplatz auf die Straße lenkte. Erst als sie das Präsidium weit hinter sich gelassen hatten, begann sie plötzlich lauthals zu lachen.
»Das ist gar nicht komisch.«
Das Lachen reduzierte sich auf ein süffisantes Grinsen. »’tschuldigung, Sir.«
Schweigen.
Watson steuerte den Wagen stumm durch Rosemount. Der Wetterumschwung hielt an, ein herrlich blauer Himmel spannte sich über den glitzernden grauen Granit.
»Sir«, sagte sie, brach ab, räusperte sich und setzte erneut an. »Sir, wegen dieser Nachricht, die ich Ihnen gestern Abend auf die Mailbox gesprochen habe …«
Logans Puls beschleunigte sich.
»Also«, fuhr Watson fort, während sie zu einer Autoschlange hinter einem Bus aufschloss, »ich habe erst hinterher darüber nachgedacht. Ich meine, dass das vielleicht irgendwie falsch bei Ihnen angekommen sein könnte. Als Sie nicht zurückgerufen haben, da dachte ich, vielleicht habe ich Sie ja gekränkt … oder so.« Das alles, ohne zwischendrin auch nur ein Mal Luft zu holen.
Das Lächeln gefror auf Logans Lippen. Sie machte einen Rückzieher. Tat so, als sei alles nur ein einziges Missverständnis gewesen. »Ich war im Krankenhaus. Da sind Handys nicht erlaubt. Ich habe Ihre Nachricht erst nach Mitternacht bekommen. Ich habe versucht zurückzurufen, aber Ihr Handy war ausgeschaltet …«
»Oh«, sagte sie.
»Ja«, sagte er.
Und dann sagten sie beide eine Weile gar nichts.
Die Sonne knallte durch die Windschutzscheibe herein und wärmte den Innenraum auf, machte das Auto zu einer Mikrowelle auf vier Rädern. An der nächsten Kreuzung bog der Bus links ab, Watson rechts. Alle Häuser waren schon weihnachtlich geschmückt: Bäume in den Fenstern, Lichterketten um die Türen, Gestecke und Weihnachtsmänner. In einem Garten stand sogar ein Plastik-Rentier mit einer rot blinkenden Glühbirnen-Nase. Sehr geschmackvoll.
Logan saß da, ließ die schneebedeckten Häuser an sich vorüberziehen und betrachtete die Dekorationen. Er dachte an seine eigene kahle Wohnung, in der noch keine einzige Weihnachtskarte auf dem Kaminsims stand. Vielleicht sollte er sich einen Baum besorgen? Letztes Jahr hatte er keinen gebraucht. Er hatte Weihnachten in Isobels riesigem Haus verbracht, mit gleich zwei echten Bäumen, beide über und über behängt mit den modischsten Deko-Elementen. Keine Verwandtschaft, nur sie beide. Den Gänsebraten hatte sie fertig bei Marks & Spencer gekauft. Isobel hielt nichts von stundenlangem Schälen und Schnippeln. Sie hatten den ganzen Vormittag im Bett verbracht, aber geschlafen hatten sie nicht.
Und dieses Jahr würde er Weihnachten wohl bei seinen Eltern verbringen müssen. Zusammen mit der ganzen Familienbande. Streitereien, Bitterkeit, Alkohol, aufgesetztes Lächeln, und dann das blöde Monopoly …
Eine Gestalt auf dem Gehsteig vor ihnen riss ihn aus seinem Gedankengang. Es war ein Mann; mit gesenktem Kopf schlurfte er durch den Schnee. Jim Lumley, Peters
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