Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
ergehen und dankten den Uniformierten für ihre Mühen. Niemand hatte irgendetwas gesehen oder gehört. Sie hatten sich auch sämtliche Überwachungsvideos zu Gemüte geführt, aber irgendwelche blutverschmierten Gestalten, die in die Dunkelheit davonliefen, waren darauf nicht zu sehen gewesen.
Der Inspector sprach noch ein paar motivierende Worte und schickte sie dann alle wieder an ihre Arbeit. Nur Logan und Watson blieben zurück. »Sie beide sollten sich auch ein bisschen nützlich machen«, meinte Insch und begann mit der gewohnten Durchsuchung seiner Anzugtaschen. »Ich werde inzwischen mal mit der Ärztin von gestern Abend sprechen.« Sprach’s und stapfte davon, immer noch auf der Jagd nach dem verlorenen Fruchtbonbon.
»Also«, sagte Constable Watson, bemüht, einen diensteifrigen Eindruck zu machen, »wo wollen Sie anfangen?«
Logan dachte an ihre nackten Beine, die an jenem Morgen in seiner Küche unter seinem T-Shirt hervorgeschaut hatten. »Äh …«, begann er, kam dann aber zu dem Schluss, dass dies weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt war. »Wie wär’s, wenn wir uns noch mal diese Überwachungsvideos anschauen? Vielleicht haben wir ja irgendwas übersehen.«
»Sie sind der Boss«, antwortete sie und salutierte neckisch.
Logan versuchte mit den Gedanken bei der Arbeit zu bleiben, als sie sich zusammen auf den Weg zum Überwachungsraum des Krankenhauses machten. Doch es wollte ihm nicht gelingen. »Übrigens«, sagte er schließlich, als sie vor den Aufzügen standen, und nahm all seinen Mut zusammen, »ich bin Ihnen von gestern noch ein Bier schuldig.«
Watson nickte. »Das hatte ich nicht vergessen, Sir.«
»Gut.« Er drückte den Knopf neben der Aufzugstür, trat ein und lehnte sich betont lässig auf die Stange, die in halber Höhe an der Kabinenwand verlief. »Wie wär’s mit heute Abend?«
»Heute Abend?«
Logan merkte, wie er rot wurde. »Wenn Sie schon was vorhaben, kein Problem. Dann eben ein andermal …« Idiot.
Der Aufzug hielt mit einem Ruck, und Constable Watson sah ihn lächelnd an. »Heute Abend passt’s mir hervorragend.«
Logan war so selig, dass er kein Wort mehr herausbrachte, bis sie den Überwachungsraum erreichten. Er war klein und funktional eingerichtet: nur eine lange schwarze Konsole mit einer Reihe kleiner Fernsehbildschirme darüber. Mehrere Videorekorder surrten vor sich hin und zeichneten alles auf, was die Kameras filmten. Und inmitten der ganzen Technik saß ein Jüngling mit blond gefärbtem Haar und Pickeln, der eine der üblichen Sicherheitsdienst-Uniformen trug – kackbraun mit uringelbem Besatz. Die Schirmmütze auf seinem Kopf konnte den Gesamteindruck auch nicht retten.
Der Jüngling erklärte ihnen, dass der Raum, in dem der Mord geschehen war, nicht videoüberwacht sei, dafür aber sämtliche Hauptflure, die Notaufnahme sowie alle Ausgänge. Auch auf manchen Stationen gebe es Kameras, aber es sei ein wenig »problematisch«, kranke Menschen zu filmen, während sie ärztlich behandelt wurden. Schutz der Privatsphäre und so.
Vom gestrigen Abend gab es einen ganzen Stapel Videos. Das Suchteam hatte sie bereits gesichtet, aber der junge Mann meinte, wenn Logan noch mal einen Blick darauf werfen wolle, habe er nichts dagegen.
In diesem Moment klingelte Logans Handy. In dem kleinen Raum wirkte das Geräusch besonders laut und störend.
»Handys müssen im Krankenhaus ausgeschaltet bleiben, wussten Sie das nicht?«, ermahnte der Wachmann ihn streng.
Logan entschuldigte sich, versicherte aber, es werde nur eine Minute dauern.
Es war wieder mal Miller. »Laz! Ich dachte schon, Sie wären komplett vom Erdboden verschwunden, Mann!«
»Ich habe gerade nicht so furchtbar viel Zeit«, erwiderte Logan, während er dem pickligen Jüngling mit der unvorteilhaften braunen Uniform den Rücken zudrehte. »Ist es sehr dringend?«
»Kommt ein bisschen auf Ihren Standpunkt an. Sind Sie irgendwo in der Nähe von ’nem Fernseher?«
»Was?«
»Fernsehapparat. Bilder, die sich bewegen …«
»Ich weiß, was ein Fernseher ist.«
»Na schön, also wenn Sie gerade einen in der Nähe haben, schalten Sie ihn ein. Grampian TV.«
»Können Sie mit einem von den Dingern auch das normale Fernsehprogramm empfangen?«, fragte Logan den Wachmann.
Der Picklige verneinte. Er riet Logan, sein Glück in einem der Krankenzimmer auf dem Flur zu versuchen.
Drei Minuten später standen sie vor einem flimmernden Fernsehschirm, auf dem eine amerikanische
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