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Die dunklen Wasser von Arcachon

Die dunklen Wasser von Arcachon

Titel: Die dunklen Wasser von Arcachon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tanner
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Arbeit im Becken gemacht waren. Die Hütte 437 war ein über die Jahre mehrfach erweiterter, räudiger Schuppen. Ausgebrochene Fensterscheiben waren mit bunt bedruckten Kartonstücken geflickt, vor der Tür standen Kronenbourg -Bierkisten, und ein aggressiver Schäferhund riss an seiner Kette.
    Das Gekläff des nervösen Hundes weckte die Bewohner. Kirchner sah Bewegung in den kleinen Fenstern, die Vorhänge gingen spaltbreit auf, dann wieder zu. Er blieb einfach stehen, um den Hund weiter zu reizen.
    Wenig später stand Barrier in der geöffneten Tür, ein untersetzter Mittdreißiger in einem Trägerunterhemd mit Laufmaschen. Seine Haare waren verfilzt, er sah aus, als hätte er sich seit einer Woche nicht mehr gewaschen, geschweige denn rasiert. Er kratzte sich im Schritt seiner Trainingshose und nahm Kirchner ins Visier.
    »Was machen Sie mir hier den Hund verrückt?«, knurrte er.
    »Wir müssen reden, Monsieur Barrier«, sagte Kirchner.
    »Worüber müssen wir reden?«, schnappte Barrier. »Es ist ja noch fast mitten in der Nacht. Sie sind wohl von der Gestapo, oder was?«
    Kirchner sagte nichts. Er schwieg und sah mit Wohlwollen, dass dieses Schweigen sein Gegenüber nervös machte.
    »Wer sind Sie denn?«, fragte Barrier argwöhnisch.
    »Ich komme von Le Monde «, sagte Kirchner, »ich bin ein Zeitungsreporter.«
    »Na und?«, gab Barrier zurück. »Hier wohnt kein Filmstar oder so was.«
    »Ich bin gekommen, um mir mal Ihr Jagdgewehr anzusehen«, sagte Kirchner ruhig.
    »Mein was …?«
    Jetzt hatte Barrier begriffen. Seine Körperspannung veränderte sich schlagartig, er stand wie unter Strom trotz seines Wodka-Katers, er fing an zu schwitzen und atmete schnell. »Ich werd dir mit meinem Jagdgewehr gleich den Arsch wegschießen, du Lackaffe«, rief er.
    Der Hund steigerte sein Gebell zur Hysterie und fletschte neben seinem Herrn die Zähne.
    »Sieh zu, dass du Land gewinnst, sonst kannst du was erleben!«
    »So wie Lacombe?«, fragte Kirchner kalt.
    »So wie Lacombe oder irgendwer sonst, der mir hier in die Suppe spucken will«, sagte Barrier, und es klang schon wie ein halbes Geständnis.
    »Wann waren Sie denn zum letzten Mal auf der Jagd?«
    »Das geht dich einen Scheißdreck an!«
    Er hätte längst in seine Hütte zurückgehen können, dachte Kirchner, einfach die Tür hinter sich zumachen, aber dieser Barrier lässt sich immer weiter in ein Gespräch verwickeln.
    Sein Machotum war daran maßgeblich schuld. Er war ein Schläger, der zu dumpf war, sich einen Rückzug vorstellen zu können, ein Mensch, der keine Idee davon hatte, dass es manchmal besser sein könnte, einfach zu schweigen.
    »Wie viel haben sie dir denn bezahlt?«, fragte Kirchner.
    Er wechselte auch zum Du, um Waffengleichheit herzustellen, die beiden Männer standen ungefähr acht Meter weit auseinander. Die Sonne ging jetzt orangerot auf, Kirchner stand mit dem Rücken zum Kanal, Barrier mit dem Rücken zu seiner Hütte.
    »Mehr als du mit deinem Scheißjob verdienst!«
    »Also bist du wohl auch noch stolz darauf, wie?«
    »Und ob ich darauf stolz bin, ich bin immer stolz drauf, wenn einer von euch Wichsern ins Gras beißt.«
    Barrier redete sich um Kopf und Kragen.
    »Wer hatte denn die Idee?«, fragte Kirchner.
    »Du hältst mich wohl für saublöd«, gab Barrier zurück, »für saublöd, wie?«
    Dann war die raue Stimme einer Frau aus dem Inneren der Hütte zu hören, die fragte, was er denn da draußen um diese Zeit herumschreie.
    Barrier wandte sich halb um und rief: »Halt deine dumme Klappe, das hier ist unter Männern.«
    »Unter Wichsern«, sagte Kirchner.
    Anscheinend hatte er einen Knopf gedrückt, denn Barrier stampfte jetzt fünf Schritte auf ihn zu, mit geballten Fäusten, und Kirchner fürchtete schon, sich gleich im Kanal wiederzufinden, als Barrier kurz vor ihm abstoppte, offenkundig, weil er registrierte, einen Kopf kleiner zu sein als Kirchner.
    Dann zischte er seinem ungeliebten Besucher ins Gesicht, sodass Kirchner kleine Spucketropfen im Widerschein der aufgehenden Sonne regnen sah: »Ich glaube dir kein Wort von deiner Zeitungsscheiße. Du bist einer von den Nautilus -Typen, das riech ich zehn Seemeilen gegen den Wind. Und jetzt geh zu Decayeux und sag ihm, dass er sich einen anderen suchen soll, dem er die Geschichte anhängt. Sag ihm, dass er mit untergeht, wenn er mich fertigmachen will. Sag ihm das!«
    Damit glaubte Barrier, den Sieg in diesem Duell errungen zu haben. Er wandte sich um und ging aufgeplustert

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