Die dunklen Wasser von Arcachon
Sicherheitsbeamten zusammenstanden und Zigarettenkippen in die Gegend schnippten.
»Bonsoir«, sagte er, »ein schöner Abend, nicht wahr.«
Die Männer brummten Grüße zurück und beachteten ihn nicht weiter. Da er den Sicherheitskordon passiert haben musste, stellte er in ihren Augen keine Gefahr da.
Kirchner stand jetzt vor dem Lokal. Er sah die Veranda, auf der er bei seinem ersten Besuch des Lokals gegessen hatte. Dort standen Festgäste zusammen und rauchten. Er stieg die Treppe hinauf.
Natürlich war er nicht angemessen gekleidet, er würde sofort auffallen. Die Herren der Gesellschaft trugen Smoking oder Frack; er selbst hatte eine dunkle Bundfaltenhose an, ein schwarzes Hemd und darüber ein graues, dickes Sakko aus Harris-Tweed. Andererseits waren die Franzosen Meister im Ignorieren. Solange er niemanden anpöbelte, würden sie ihn einfach nicht weiter beachten. Und solange er auf niemanden stieß, der ihn kannte, würde er einfach herumstehen und kein großes Aufsehen erregen.
Kirchner blieb auf der Veranda, er kannte dort niemanden. Er lehnte sich an die Balustrade, die einer Reling nachempfunden war, und rauchte, die Zigarette war hier draußen fast die beste Tarnung. Er verwarf den Gedanken, einfach hineinzugehen und einen Skandal heraufzubeschwören, jedenfalls für den Augenblick. Er hielt es für klüger, noch abzuwarten.
Als er eine Viertelstunde so dagestanden hatte, sah er Guillaume und Nadine ins Freie kommen, offenkundig, weil es Guillaume nach einer seiner Dunhill-Menthol verlangte. Die beiden gingen zur entgegengesetzten Ecke der Veranda, ohne ihn gesehen zu haben, und stellten sich dorthin. Guillaumes Gesicht flackerte kurz im Licht des Feuerzeugs auf, Nadine hielt sich an einem Weinglas fest.
Kirchner ging hinüber und warf dabei ein paar Blicke durch die Fenster ins Innere des Restaurants, wo mittlerweile das Tanzen begonnen hatte. Aus großen Boxen dröhnte Gloria Gaynor, I will survive , und Be my Baby von Vanessa Paradis.
Kirchner schlich sich durch Grüppchen der Raucher, und als er vor seinen Tischgenossen vom Vorabend stand, sagte er: »So sieht man sich wieder!«
Guillaume wie Nadine erschraken beide, als stünde der Leibhaftige vor ihnen. Aus Nadines Gesicht wich kurz die Farbe, Guillaumes dunkle Augen loderten.
»Was machen Sie denn hier?«, fragte er schroff.
»Wie sind Sie überhaupt hereingekommen?«, setzte Nadine nach.
»Berufsgeheimnis«, sagte Kirchner. »Ich hab auch so meine Tricks. Aber die sind nicht ganz so gut wie eure.«
»Gehen Sie!«, sagte Nadine und blickte sich fahrig um. »Sie werden doch nicht im Ernst diese Hochzeitsfeier …«
»Was?«, fragte Kirchner.
»Stören wollen«, sagte Nadine. »Wir haben doch wirklich alles besprochen.«
»Wir haben nur besprochen, was ihr besprechen wolltet«, sagte Kirchner. »Nur leider habt ihr vergessen zu erwähnen, dass Lacombe ein Loch im Kopf hatte. Das war, ehrlich gesagt, nicht sehr nett.«
Guillaume und Nadine musterten ihn. In ihren Köpfen arbeitete sichtlich die Frage, wie weit er den Skandal hier wohl treiben würde.
»Was haltet ihr davon, wenn wir jetzt alle drei da reingehen, an ein Glas klopfen und die Leute hier fragen, wieso eigentlich Julien Lacombe nicht zur Hochzeit gekommen ist?« Kirchner kehrte jetzt alle Gemeinheit heraus, die er in sich finden konnte. »Wo er doch sonst keine Party ausgelassen hat, wie?«
»Was wollen Sie?«, fragte Guillaume gedämpft.
»Die Wahrheit.«
»Dann kommen Sie morgen zu meinem Vater, mittags«, sagte Nadine Moreau hektisch.
»Nein«, sagte Kirchner. »Wir reden jetzt. Der Strand ist nur zehn Meter weg. Dort vergnügt sich zwar schon Staatssekretär Guillemin, wenn ich nicht irre, aber da ist auch noch Platz genug für uns drei.«
Widerwillig stiegen die beiden mit Kirchner die Treppe hinunter. Zu dritt überquerten sie die Küstenstraße und standen bald fünfzig, sechzig Meter von Chez Janine im Dunklen. Hundert Meter weiter schwappte das Wasser im Becken von Arcachon, die Küstenlinie auf der anderen Seite, zwischen Le Canon und Cap Ferret, lag da wie eine weihnachtliche Lichterkette.
»Also«, sagte Kirchner nach zwei, drei unangenehmen Minuten des Schweigens, »wo kommt der Kopfschuss her? Und was habt ihr mir für eine Geschichte aufgebunden?«
»Hören Sie«, sagte Guillaume und versuchte, der Frage auszuweichen, »es ist doch alles schon schlimm genug.«
»Das ist es«, warf Kirchner ein.
»Was wir Ihnen gestern erzählt haben, stimmt
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