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Die dunklen Wasser von Arcachon

Die dunklen Wasser von Arcachon

Titel: Die dunklen Wasser von Arcachon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tanner
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alles«, sagte Nadine.
    »Bis auf ein paar unwesentliche Details, nicht wahr?«
    Sie drehten sich im Kreis.
    »Ich habe euch nicht viel anzubieten«, sagte Kirchner jetzt. »Ihr könntet sogar anfangen, nach der Polizei zu rufen, die sind hier überall. Ich frage mich nur, warum ihr es nicht tut.«
    »Sie müssen mit Decayeux reden«, sagte Guillaume.
    »Der ist mit Touristen beim Schwertfischangeln.«
    »Nicht Deca, Sie müssen mit seinem Vater reden«, sagte Nadine, »er wird Ihnen alles erklären.«
    »Daran habe ich so meine Zweifel.«
    Sie standen herum, wortlos, Guillaume bot ihm eine seiner Dunhills an. Kirchner spürte, dass er sich von einem Fremden schon wieder in die Richtung eines Bekannten entwickelte.
    »Wir drei machen jetzt ein Geschäft«, sagte er. »Ihr geht wieder rein und schickt mir Evelyne raus auf die Veranda. Auf der linken Seite ist ein Stück, das man von innen nicht einsehen kann. Wie ihr das anstellt, ist mir egal.«
    »Was ist das Geschäft?«, fragte Nadine.
    Kirchner machte seine Augen schmal und seine Stimme tiefer. »Wenn ihr es nicht macht, dann sprenge ich diese Hochzeit.«
    Die beiden schlichen zurück zum Restaurant, Kirchner folgte ihnen in deutlichem Abstand.
    Die Szene auf der Veranda war unverändert. Ein paar Raucher standen herum, die Mehrheit der Festgäste war im Saal mit Tanzen beschäftigt.
    Kirchner lungerte von der Straße aus gesehen links auf der Veranda herum, wie er es gesagt hatte. Dort war das Lokal durch einen Mauervorsprung von der Veranda getrennt. Es passierte erst lange nichts. Kirchner stand herum und gab einem der Gäste Feuer, einem Mann in seinem Alter, der an einer Hautkrankheit litt, die ihm das Gesicht rot verfärbte. Dann endlich sah er Evelyne aus der Tür laufen, sie war allein, und ihre Bewegungen verrieten, dass sie ihn suchte.
    »Evelyne«, rief Kirchner leise, »hier bin ich.«
    Sie trippelte auf Hochzeitsschuhen von Louboutin in seine Richtung, die Röcke mit beiden Händen gerafft. Ihre Frisur hatte ein wenig gelitten, aber sie war eine der schönsten Bräute, die Kirchner jemals gesehen hatte.
    »Bonsoir, Monsieur«, sagte sie scheu.
    »Bonsoir.«
    »Was machen Sie hier?«
    »Ich versuche, Ihre Geschichte zu verstehen«, antwortete Kirchner.
    »Aber was gibt es daran zu verstehen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte Kirchner, »eigentlich alles, scheint mir.«
    Evelyne sah ihn mit ihren schönen Augen an und machte ein fragendes Gesicht.
    »Erst Lacombe, dann Creuzet, das verstehe ich zum Beispiel nicht.«
    »Pardon? Ich liebe Jean-Marie, er ist mein Bräutigam, und heute ist unsere Hochzeit.«
    »Ich weiß, ich weiß«, sagte Kirchner, »aber was, Evelyne, haben Sie mit dem Tod Lacombes zu tun?«
    »Nichts«, antwortete sie, »überhaupt nichts.«
    Kirchner machte ein ungläubiges Gesicht.
    »Wissen Sie, ich habe ihn gehasst damals, nach Le Canon, wie ich nie einen Menschen gehasst habe. Damals habe ich mir manchmal wirklich seinen Tod gewünscht, er hat mich tief verletzt. Aber als es vorgestern wirklich passiert war, hat mich das doch eher traurig gemacht. Sein Tod löst ja die Vergangenheit nicht auf.«
    »Sie haben das Kind nicht bekommen?«
    »Sie sind ein sehr indiskreter Mensch«, sagte Evelyne. »Aber nein, ich habe das Kind nicht bekommen.«
    »Man hat mir gesagt, Sie hätten es verloren.«
    »Ich habe es nicht verloren, ich bin zu einem Arzt gegangen.«
    Eine kurze Pause entstand. Evelyne erwartete Kirchners weitere Fragen.
    »Evelyne, es tut mir wirklich leid, Sie an diesem Abend mit diesen Dingen zu belästigen. Wissen Sie, in meinem Beruf sagt man solche Dinge oft einfach so, aber in Ihrem Fall meine ich es wirklich. Es ist nur eine so große Affäre …«
    »Ich verstehe das«, unterbrach sie ihn, »glauben Sie mir, ich verstehe es.«
    »Gut«, sagte Kirchner erleichtert. »Hatten Sie nach Le Canon Kontakt zu Lacombe? Oder zu seiner Frau?«
    Evelyne machte eine unwillkürliche Bewegung mit der rechten Hand zu ihrem Hals, wie es Menschen tun, die Unangenehmes verhandeln müssen.
    »Ich habe Juliens Frau danach einmal getroffen«, sagte sie. »Ich wollte, dass sie Dinge weiß, die sie betreffen.«
    »Und?«
    »Sie ist eine bemerkenswerte Frau. Sie war nicht sonderlich beeindruckt. Ich hatte den Eindruck, dass zwischen ihr und ihrem Mann alle Dinge geregelt waren, auch die unmöglichen.«
    »Haben Sie ihr oder ihm gedroht?«, fragte Kirchner.
    »Ich war nicht in der Position, jemandem zu drohen. Es war danach gut.«
    Kirchner nickte.

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