Die Durchschnittsfalle (German Edition)
schwieriger die zu lösende Aufgabe ist, umso individueller sollten die Mitglieder des Teams sein
Die Natur weiß darum, weil es Resultat einer langen evolutiven Entwicklung ist. Je weniger verwandt zwei Menschen sind, umso mehr Individualität im Sinne von genetischer Verschiedenheit zwischen ihnen existiert, umso sicherer ist es für die nächste Generation. Auch in diesem Zusammenhang ist es ein Einfaches, das biologische Wissen auf unsere aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen umzulegen. Wenn sich zwei Systeme, wie etwa zwei Firmen (oder zwei Manager mit sehr ähnlichem Werdegang), die jahrelang das Gleiche gemacht haben, zum Teamwork entschließen, besteht eine hohe Gefahr, dass sie die gleichen Fehler gemacht haben und auch weiter machen werden, ohne dass es ihnen auffällt. Wer sich traut, eine neue individuelle Perspektive zuzulassen, ja einzuladen, Kritik zu üben, erhält die unverzichtbare Chance auf neue Kombinationen und Ansätze. Lassen wir doch viel öfter jemanden über unsere Probleme nachdenken, der solche noch nie hatte! Lassen wir doch öfter einmal Physiker über Genetik nachdenken! Lassen wir doch Schüler über das Lehren nachdenken und Lehrer über Politik! Der andere, der anders Ausgebildete sieht den Baum vielleicht noch in all dem Wald, hat die fachimmanenten Scheuklappen nicht und teilt auch die Angst der Eingeweihten nicht, sich durch naiv wirkende, aber eben oft so brillante Fragen zu blamieren. Erfahrungsgemäß sind Leute, die nicht so lange wie andere auf dem alten Weg gehen, eher bereit, einen neuen zu suchen. Die Bindung an das alte Konzept, an den alten Weg ist geringer.
Das Hydra-Beispiel hat uns gezeigt, dass Verschiedenartigkeit auf der Ebene des Individuums die einzige Chance darstellt, auf Fragen der Zukunft vorbereitet zu sein, von denen wir nicht wissen, wie sie aussehen und wann sie kommen werden. Jetzt sei an dieser Stelle noch eine weitere Ebene notwendiger oder zumindest empfehlenswerter Individualität in unsere Diskussion eingeführt. Auch bei den Teams, Netzwerken und Interaktionen, die wir bilden, ist der Wert derselben umso höher einzustufen, je mehr individuelle Gedanken, Leistungsvoraussetzungen und Erfahrungen daran teilhaben. Natürlich muss sich ein Team seiner Ziele bewusst sein. Natürlich hat es keinen Sinn, in die Fußballnationalmannschaft gute Skifahrer einzuberufen. Aber erstens können im Training Fußballer von den Erfahrungen und Methoden anderer Sportarten enorm profitieren. Das ist ja auch der Grund, warum gemeinsame Trainingseinheiten von Sportlern verschiedener Sportarten so fruchtbar und darum auch so erwünscht sind. Der Fußballer tut schon gut daran, die Sprungkraft eines Skispringers oder Basketballspielers, die Ausdauer eines Marathonläufers, die Antrittsstärke eines Sprinters oder die strategischen Ansätze anderer Teamsportler genau zu studieren. Und zweitens, es steht doch wohl außer Zweifel, dass ein Fußballteam, das aus lauter Mittelstürmern besteht, vollkommen chancenlos ist. Wenn das doch so klar ist, warum verspürt man heute aber überall den Trend und die Sehnsucht nach dem Durchschnitt? Die verschiedenen Gründe, warum es offensichtlich als bequemer und problemloser gilt, Teil des Durchschnitts zu sein, haben wir schon detailliert besprochen. Aber sind wir uns denn alle wirklich bewusst, wie chancenlos dieser Ansatz ist?
Was kümmert uns der Durchschnitt
Sehr oft bekomme ich auf diese Argumentation zu hören: Der Durchschnitt ist nicht das eigentliche Ziel, sondern dass möglichst viele (alle) auf dem definierten hohen Niveau ankommen. Die Grundthese dieses Buches lautet, dass die Elite jeder Einzelne von uns ist (sein kann) und es folglich so viele Eliten wie Menschen gibt. In ihrem lesenswerten Buch „ Gestatten : Elite“ zitiert Julia Friedrichs einen jungen Iraner, der mit einem Begabtenstipendium in Europa studiert: „Elite sind für mich Leute, die außergewöhnliche Ideen haben, die über Grenzen hinausdenken und nicht in irgendwelche vordefinierte Fußstapfen treten. Wenn es wirklich so etwas geben würde, dass man sich abhebt von der Masse, dass man nicht nachahmt, was einem vorgegeben wird, dann könnte ich mir vorstellen, dass man so etwas wie eine Aristokratie bildet. Aber so eine Aristokratie im wirklich wahren Sinne. Dass die Elite das, was sie macht, wirklich für das Allgemeinwohl macht und nicht für ihre eigenen persönlichen Ziele.“
Niemand kennt die Probleme von morgen und daher bietet die
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