Die Durchschnittsfalle (German Edition)
Hogrefe Verlag GmbH + Co, 2006). Also dürften biologische besondere Leistungsvoraussetzungen in diesem Zusammenhang zumindest von Einfluss sein. Die gute Nachricht ist, dass die Wissenschaft die „Leistungsvoraussetzung Kreativität“ nicht als Privileg eines kleinen Personenkreises sieht. Strittig scheint zu sein, ob es sich dabei um einen Grundwesenszug des Menschen handelt, der ihn etwa vom Rest der Tierwelt unterscheidet. Mit den ach so großen Unterschieden zwischen Mensch und dem Rest der Tierwelt habe ich allerdings sowieso immer wieder meine Probleme.
Fest scheint allerdings zu stehen, dass Kreativität eine Anlage ist, die sehr viele Menschen haben. Und auch festzustehen scheint, dass viel zu wenige Menschen ihr kreatives Potenzial ausschöpfen. Zumeist ist das nicht die Schuld der Menschen selbst, sondern ihrer nicht vorhandenen fördernden und fordernden Umwelt . „Als Kind ist jeder ein Künstler. Die Schwierigkeit liegt darin, als Erwachsener einer zu bleiben“, hat Pablo Picasso gelegentlich festgestellt. Das ist umso erstaunlicher, als kreative Ideen, erfolgreiche Innovationen und fantasievolle Mitarbeiter heute sehr oft sehr plakativ als die Währung des Erfolges von Unternehmen gehandelt werden.
Ich habe in diesem Buch schon an vielen Stellen (und werde es noch öfter) klar meine Meinung vertreten, dass Individualität das höchste Gut, die beste Karte für die Zukunft ist. Wenn wir an unseren Schulen, unseren Universitäten und in unseren Unternehmen auch noch die Bedingungen vorfinden würden, unser Potenzial kreativ – im Sinne der schöpferischen Erarbeitung von Neuem – einsetzen zu können, dann wäre ja eigentlich alles optimal. Dem ist aber leider ganz und gar nicht so. Eben weil wir uns gerade in der Sackgasse des Strebens nach dem Durchschnitt befinden.
Kreatives Potenzial wäre aber unsere beste Karte für die Zukunft und wir müssten sie immer und überall ausspielen (können). Uta Reimann-Höhn argumentiert in ihrem Buch „Welche Talente und Begabungen hat Ihr Kind?“ sogar, dass für das Erbringen herausragender Leistungen Kreativität in allen Bereichen unerlässlich ist: „Zum einen ist die Einmaligkeit und die Besonderheit von Ideen zu nennen, die die gewohnten Wege des Denkens verlassen. Zum anderen verfügen kreative Menschen über eine große geistige Beweglichkeit, die es ihnen ermöglicht, schnell zwischen verschiedenen Ebenen zu wechseln, um so eine Problematik aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Typisch für kreative Menschen ist auch die große Zahl an Einfällen und Ideen.“ Wir könnten folglich das Grundkonzept dieses Buches noch ein bisschen erweitern: Besondere Leistungsvoraussetzungen müssen durch harte Arbeit entdeckt und umgesetzt werden – damit daraus eine besondere Leistung im Sinne von Erfolg wird, bedarf es an Kreativität. Das gilt. Ob immer – aber zumindest sehr oft. Ganz sicher aber gilt das für die Wissenschaft.
Wissenschaft
Die Kreativität – zweiter Teil
Wenn man es genau nimmt, überschneiden sich die Inhalte der Wörter „Kreativität“ und „Wissenschaft“ sogar. Wir haben gesagt, dass Kreativität etwas Neues hervorbringt (hervorbringen soll) und dabei Lösungen kreiert, die gewissermaßen einzigartig sind. Kreativität inkludiert praktisch irgendwie das Außergewöhnliche und Unkonventionelle. Künstler und Wissenschaftler müssen kreativ sein. „Wissen schaffen“ meint prinzipiell, dass es das Ziel jedes Wissenschaftlers sein muss, etwas Neues, etwas noch nie Dagewesenes zu schaffen. Es geht in der Wissenschaft um die tägliche Mondlandung. Und noch härter formuliert: Ein Wissenschaftler schafft kein Wissen, wenn er etwas entdeckt, was es schon gibt oder wenn er etwas aufklärt, was schon jeder weiß. „Change the way of thinking!“ Das ist das Ziel. Jeder wissenschaftliche Doktorand muss als Ziel eine neue Erkenntnis haben. Dabei stellt sich nicht direkt und prinzipiell die Frage, ob es eine große oder kleine Erkenntnis ist, ob sie unmittelbar anwendbare Konsequenzen hat, ob sie in eine Innovation umgesetzt, ob sie zu Geld gemacht werden kann etc. Es geht darum, Grenzen zu finden, nicht um sich dadurch begrenzen zu lassen, sondern um darüberzusteigen.
Ich habe gerade im vorigen Kapitel gesagt, dass die Begriffe „Talent“ und „Kreativität“ gemeinsam haben, dass sie eigentlich schwer inhaltlich zu definieren sind. Sie haben aber noch etwas viel Wichtigeres gemeinsam: Sie werten nicht. Ich habe
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