Die Echsenwelt: Ein Pip& Flinx Roman
Muttertier einen Schlag ins Kreuz, der ihm die Luft aus den Lungen presste und ihn augenblicklich zu Boden gehen ließ. Er konnte die rotierenden Zähne, die sich über das Rückenteil seines Anzugs hermachten, sowohl hören als auch spüren. Unwillkürlich schoss ihm durch den Kopf, wie lange die wirbelnden Beißwerkzeuge wohl brauchten, bis sie durch das strapazierfähige Material hindurch waren und seine Wirbelsäule zerraspelten. Da ihm solche Überlegungen ziemlich sinnlos erschienen und er zudem nicht bereit war, kampflos unterzugehen, tastete er mit fahrigen Fingern nach der Tasche, in der die kompakte Waffe untergebracht war. Es war nicht ganz einfach, sie zu fassen zu bekommen, denn während die Kreatur damit beschäftigt war, ihn anzufressen, schleifte sie ihn rückwärts durch die Felsen.
Jetzt unternahm der Minidrache einen weiteren Angriff auf das Biest. Da er keine Augen ausmachen konnte, richtete er seinen Giftstrahl auf den oberen, ungeschützten Teil Schnauze. Zischend drang das Gift ein, während eine übel riechende Wolke von der Stelle aufstieg. Unter heftigem Zittern zog sich der Alienrüssel krampfartig zusammen und gab seine Beute frei.
Augenblicklich rappelte Flinx sich wieder auf. Für einen kurzen Moment von leichtem Schwindel erfasst, starrte er auf das biegsame Anhängsel der Kreatur, das die Luft nach dem kleinen, geflügelten Geschöpf absuchte, welches für seine Schmerzen verantwortlich war. Pip konnte dem plumpen Tastorgan locker ausweichen. Ohne abzuwarten, wie lange seine Begleiterin den Zeitvertreib noch ausdehnen wollte, drehte Flinx sich um und stolperte die nächstbeste Felsböschung hinauf. Er war ziemlich übel zugerichtet, aber immerhin blutete sein Bein nicht mehr ganz so stark. Binnen weniger Sekunden hatte er zwischen sich und den einheimischen Räuber einen beruhigenden Sicherheitsabstand gebracht. Kurz darauf schloss Pip zu ihm auf, flatterte ängstlich vor seinem Gesicht hin und her und musterte ihn aus reptilischen Augenschlitzen. Da sie seine Empfindungen wahrnehmen und daher spüren konnte, dass er zwar verletzt, aber ansonsten okay war, wusste er, dass sie sich schon bald wieder beruhigen und irgendwo niederlassen würde.
Was mehr war, als er von sich selbst behaupten konnte. Er war stinkwütend. Er sollte es inzwischen eigentlich besser wissen, als sich von exotischer Schönheit oder irgendwelchen bizarren außerirdischen Wesen täuschen zu lassen. Hatte er denn an Orten wie Long Tunnel und Midworld überhaupt nichts gelernt? Dass sich die hiesige Biosphäre arm an Lebensformen zeigte, hieß doch noch lange nicht, dass sie es auch war. Er schwor sich, von jetzt an vorsichtiger sein. Er würde alles und jedes vorbehaltlos als lebendig und damit als potenziell gefährlich ansehen, ganz gleichgültig, wie reglos oder anorganisch es ihm erschien. Auf einer unbekannten, fremdartigen Welt tat man gut daran, nicht einmal den Wolken zu trauen.
Er konnte sich glücklich schätzen, dass er nur mit einer verletzten Wade und einem zerrissenen Hosenbein davongekommen war. Letzteres würde die Tauglichkeit seines Anzugs, ihm Kühlung zu verschaffen, erheblich vermindern, solange er sich nicht etwas einfallen ließ, wie er die beschädigte Stelle unterhalb des Knies abdichten könnte. Andererseits stellte der Riss noch keine Umweltkrise dar. Schlimmstenfalls konnte er das Problem immer noch durch den zwar etwas archaischen, doch durchaus bewährten Kunstgriff lösen, den zerfetzen Stoff einfach zusammenzuknoten.
Als er den so trügerisch einladend wirkenden Felsabhang und dessen gefräßige, gleichwohl träge Bewohnerschaft weit hinter sich gelassen hatte, fühlte er sich schon bedeutend besser. Er beschloss, sich einen neuen Schlafplatz zu suchen, diesmal jedoch einen, der nicht bereits in Beschlag genommen war. Er schloss die Lippen um den Versorgungsschlauch und nahm einen kleinen Schluck von dem kühlen Wasser, das der Anzugdestillator für ihn bereithielt.
Da blinkte direkt vor seinen Augen wie aus dem Nichts eine winzige, beinahe zaghaft wirkende Kontrollleuchte auf, um ihm etwas mitzuteilen, das er am liebsten ignoriert hätte. Nach all der Mühsal des Tages fiel es ihm schwer, den Ärger und Unmut in seiner Stimme zu unterdrücken. Nicht, dass es dem Anzug etwas ausgemacht hätte.
»Was ist denn nun schon wieder?«
Die synthetisch erzeugte Antwort kam stotternd und unter Auslassung vieler Vokale. In der elektronischen Klangkulisse, mit der sie unterlegt war,
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