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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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ernsthaften Versuch wagte man jedoch schon zur Zeit der großen Französischen Revolution. Und hier begegnen wir zum ersten Mal dem Namen des Grafen Strontium.«
    »Tja«, schmunzelte Regitz, »scheiß Name, ne? Soll so ein illegitimer Spross eines russischen Fürsten und einer französischen Landadeligen gewesen sein, nichts genaues weiß man nicht. Nannte sich später Bürger Nicolas Strontium, von wegen Guillotine und so, da war man als Adelsnamenträger quasi in der höchsten Risikogruppe. Unser Strontium aber war so ein richtiger Hardcore-Revoluzzer, der hatte schon vor der Revolution eine Kommune auf dem Landsitz seiner Familie aufgemacht.«
    »Die Commune antimonetaire«, näselte der Rainer in perfektem Fastfranzösisch. »Und das war eben nicht nur Tauschgeschäft, was wir hier so machen. Strontium hatte eine politische Idee, er war ein Theoretiker und Umstürzer. Das lag ihm im Blut gewissermaßen und die Revolution war sein Podium.«
    »Podium, ja.« Regitz zündete sich eine Zigarette an. »Also der Grundgedanke war ungefähr folgender: Geld lässt sich nicht so einfach abschaffen. Die Menschen sind halt dumm. Du brauchst immer eine Katastrophe, den großen Crash, siehe Atom, siehe Umwelt. Das wusste auch Strontium. Er versammelte die klügsten Köpfe seiner Zeit um sich und gründete – am Morgen des Ostersonntag 1790 – die sogenannte Ostergesellschaft. Ihre Aufgabe sollte es sein, die Geldwirtschaft zum Kollabieren zu bringen, das Land dadurch in unvorstellbares Elend zu stürzen, um auf den Trümmern des Desasters die neue Ordnung einer Gesellschaft ohne Geld zu errichten.«
    Sogar Klein machte »pffffff«. Klang aber auch gut, was sich Regitz da aus den Fingern gesaugt hatte. Schon der Name Strontium! Zu abgefahren, um erlogen zu sein. Wer hieß schon Strontium? Weiter im Text. Regitz drückte die Kippe aus.
    Der Rainer drückte den Stumpen aus. »Wenn du die ganze Geschichte wissen willst, kann ich dir gerne ein Buch mitgeben, Kerstin.« Der Konrad, der Irmi bisher kaum beachtet hatte, sah bei der Namensnennung nun genauer hin und verschluckte sich fast am Zigarrenrauch. »Mensch, Kerstin, bist du das? Weißte noch Brokdorf? Wie sie uns geräumt haben, die Bullenschweine?« Irmi lächelte. Sie war nie in Brokdorf, war doch ihre Hedonismusphase gewesen damals, Hochklimakterium, abtanzen, one-night-stands. »Klar Konrad, jetzt erkenn ich dich erst! Wie geht’s denn so?« Konrad grinste verschmitzt. »Na wollt ich dich fragen. Immer noch so gut drauf?« Diesen Blick kannte Irmi. Schlafzimmerblick. Wer auch immer diese Kerstin gewesen war, sie musste ein besonderer Feger gewesen sein. Lieber ablenken. »Und was wurde aus diesem Strontium, Rainer?«

196
    Vika und die beiden Männer hatten inzwischen das Café verlassen. Klein, noch immer wortkarg und verwirrt, Regitz, noch immer wortreich und ver wirrt. So bummelten sie auf der großen Mauer um die bezaubernde Stadt St. Malo, unter dem hellgrauen bretonischen Himmel, unter der lautstarken Selbstinszenierung kreischenden Möwenpacks, das wider die unruhigen Was ser intonierte und seine Scheiße über den Köpfen der Flanierenden ablud. Regitz redete sich in einen Rausch. Er war kurz davor zu glauben, was er da erzählte.
    Der Rainer hatte sich erhoben. Die Angelika und die Luzi waren längst – einen taxierend hämischen Blick auf Irmi zurücklassend – wieder »aufs Feld« gegangen, der Konrad hockte noch immer am Tisch, in nostalgischer Erinnerung an Brokdorf, Kerstin und garantiert rückstandsfreien Sex versunken. »Komm mal, Kerstin«, sagte der Rainer, »ich zeig dir unser Projekt und erzähl dir dabei noch etwas über die Geschichte des Grafen Strontium.« Irmi nickte, ihre Knochen protestierten beim Aufstehen. Auch der Konrad tat dies jetzt. Manövrierte sich an Irmis rechte Seite, flüsterte ihr ins Ohr: »Und das mit dem geplatzten Präser war echt kein Malheur? Ich meine, keine Alimente und so?« »Nee«, flüsterte Irmi zurück, »ich hab die Zwillinge abtreiben lassen. Kein Ding.« Konrad wurde aschfahl und murmelte: »Jo, war wohl besser so. Kannst doch keine Kinder in diese beschissene kapitalistische Welt setzen, nä?«
    »Ja, beschissen«, seufzte Regitz. »Robespierre stand den Ideen des Grafen Strontium mit großer Sympathie gegenüber. Wenn die Menschen kein Brot mehr haben, weil sie sich keins mehr kaufen können, weil sie kein Geld mehr haben – na, dann werden sie eben Kuchen fressen und alles wird gut sein! Nach dem Sturz

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