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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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stabilisieren. Ich ließ mir sogenannte Besprechungsexemplare schicken, besprach selbstverständlich nichts und niemanden, verkaufte die Bücher in modernen Antiquariaten und schleppte den kärglichen Erlös umgehend zum Discounter. Das machen alle Krimikritiker und es wundert mich seit Jahren, dass die Verleger keinen Wind davon bekommen.
    So dämmerte ich in meiner Matratzengruft vor mich hin. Groucho war soeben auf ein Kasinoschiff entführt worden, überhaupt war bei ihm immer mächtig was los. Er tändelte mit den schönsten Frauen von Hollywood (die inzwischen auch schon alle tot waren, tröstete ich mich), während ich bestenfalls mit zickigen Wirtinnen ältlicher Gasthäuser verkehrte, aber immerhin würde ich morgen der bundesdeutschen Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts einen Besuch abstatten, was mich in den Augen von Hammett und Chandler deutlich heben dürfte. Aber genug von diesem Firlefanz. Ich klappte das Buch zu, seufzte in den einsetzenden Schneefall, lauschte dem Wind, der an meinem undichten Fenster rüttelte, kuschelte mich in die Steppdecke, bis mich der Import der Dosenravioli zum schleunigen Export zwang, womit ich wieder beim Montag war, an den ich nicht denken mochte, aber pausenlos dachte. Aufstehen und auch diese unbezahlte Arbeit erledigen.
    Dann wurde es endlich dunkel. Kein Telefonanruf hatte meine Kontemplation gestört, selbst meiner Klientin schien die Sonntagsruhe heilig. In der Küche betrachtete ich den nun leeren Stuhl, auf dem sie gestern gesessen hatte. Was wusste ich von Sonja Weber? Nicht viel, eigentlich gar nichts. Sie hatte möglicherweise einen Geliebten namens Lothar, der beschattet wurde, und zwar nicht nur von mir. Gleich gegenüber wirkte eine gewisse Helga oder Monika in ihrer Kneipe und war Sonjas Nebenbuhlerin. Auch das nur möglicherweise. Und über allem schwebte Georg Weber, das heißt, er schwebte nicht, er war ja verschwunden. Ich nahm das Buch zur Hand und las ein paar Kapitel. Groucho Marx ging mir allmählich auf den Keks. Er überlebte schlichtweg alles, er hatte unverschämtes Glück und noch unverschämtere Eingebungen. Ich würde mir fortan von den Verlegern anspruchsvollere Bücher erschwindeln, das war ich meiner Berufsehre schuldig. Ich klappte das Buch abermals zu. Freute mich auf das Abendessen, den Rest der Dosenravioli. Der Schneefall hatte sich eine Auszeit genommen. Ich stand auf, schlurfte in die Küche, sah wieder den leeren Stuhl, lauschte auf das Telefon, das Telefon blieb stumm. Kurzum: Dieser Sonntag tat gut daran, das zu tun, was ein braver Sonntag immer tun sollte: sich schleunigst verpissen.

19
    Der erste Wecker rappelte um halb fünf. Ich tötete ihn. Gegen Viertel von fünf verwickelte mich der zweite in eine fruchtlose Diskussion über das Aufstehen. Ich tötete auch ihn. Punkt fünf schlug die nahe Kirchturmuhr. Ich wollte sie töten, aber sie war zu weit weg und zu groß. Ich wartete auf den dritten Wecker. Irgendwann fiel mir ein, dass ich keinen besaß und stand auf.
    Zur S-Bahnhaltestelle. Die Kälte war skandalös, Autos krochen auf vereisten Fahrbahnen, Menschen dampften aus Mündern wie altertümliche Loks. Aus ei nem für immer zu den Mysterien zählenden Grund kam die Linie 26 zum Industriegebiet pünktlich und ich stieg ein. Setzte mich zwei Herren gegenüber, sie pressten ihre Aktentaschen gegen die Unterleiber, Anzüge knitterten, Schlipse erlitten lebensgefährliche Quetschungen.
    »Fährst du 2022 auch zur Fußballweltmeisterschaft nach Katar?«
    Der Gefragte überlegte eine Weile.
    »Nee. Da bin ich zum Skifahren in der Karibik.«
    »Ach so.«
    Der Wagen bremste elegant ab, ein Punkmädchen ohne Schäferhund stieg ein, zog den Rotz hoch und zündete sich eine Zigarette an.
    »Ja, Scheiße«, setzte nun der eine der beiden mir gegenüber das Gespräch fort, »und soll ich dir mal was sagen? In Katar leben Moslems.«
    »Hm«, machte der andere, »Moslems« wiederholte der eine.
    »Wenn du das sagst. Dann ist ja alles klar. Moslems.«
    »Eben«, wurde bestätigt.
    Das Punkmädchen trat die Kippe aus, kickte sie unter einer Sitz, kollerte ein Bällchen Spucke hinterher. Sie hatte große Löcher in den Jeans, man sah ihre bleiche Haut. Mutig, dachte ich, zu meiner Zeit hockten die Punks in den Lounges, hörten Die Toten Hosen und passten auf, dass keine Löcher reinkamen.
    »Die haben halt das Geld«, wurde weitererzählt. »Die Moslems, meine ich.«
    »Genau. Öl. Und wir bezahlen das alles. Fußball in der Wüste.«
    Sie

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