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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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gegangene 40 Jahre, schätzte ich, einen beigen Wollmantel über schwarzer Cordhose und rotkariertem Hemd, eine blauweiße Zipfelmütze mit dem Emblem von Schalke 04 auf dem Kopf. Er sah sich um, erblickte Regitz und wurde sofort um 20 Zentimeter kleiner, so dass man selbst im Sitzen das Kinn mächtig auf die Brust drücken musste, um ihn überhaupt zu sehen.
    »Da bist du ja, Borsig«, raunzte Regitz und: »Wo ist Schaffrath, die alte Sau?«
    Borsig lächelte schief und zerstörte die Reputation seines Zahnarztes. »Sorry, aber mir ist gestern Abend noch was dazwischen gekommen.« – Er heischte ob dieser Anspielung auf erotische Abenteuer Respekt bei den Anwesenden, erntete aber nichts weiter als eine ungeduldige Handbewegung Regitzens.
    »Und Schaffrath haben sie gestern hops genommen. Schwere Körperverletzung.«
    Regitz stöhnte auf. »Ein Arschloch größer als das andere«, befand er, winkte Borsig zu sich, reichte ihm den Teller und sagte: »Bring das dem Wilke rein und stoß ihm Bescheid, er soll mal zu Potte kommen. Oder hab ich meine Zeit hier gestohlen?«
    Borsig tat wie geheißen und Wilke erschien stehenden Fußes mit einer Liste.
    »Fünf Mann für den Großmarkt, 4 Euro 80 die Stunde sowie angestoßene Äpfel, abgefallene Salatblätter kostenlos zum Mitnehmen, eventuell auch überreife Bananen zum halben Preis.«
    Sogleich schnellten fünf Hände in die Höhe, die von Regitz, Borsig und mir waren nicht dabei. Vierachtzig waren eine Stange Geld, die fünf Glücklichen zückten ihre Tagelöhnerausweise und schieden als prospektiv reiche Männer von dannen.
    »Zwei Personen für das Ausführen der Möpse von Gräfin Dohrscheid, 5 Euro die Stunde sowie eventuell abgelegte Kleider des verstorbenen Herrn Grafen.«
    Wieder meldeten sich zwei der Anwesenden, wieder waren weder Regitz, Borsig noch ich unter den zukünftigen Trägern noch so gut wie neuer Smokings.
    »Haha«, lachte Borsig, »du nimmst den linken Mops und du den rechten, das nennt man Büstenhalter!« Regitz strafte diesen Ausbruch eines schlüpfrigen Scherzes mit einem brutalen Augenaufschlag ab, Borsigs Schädeldecke schwebte einen halben Meter über dem Boden.
    »Und dann noch... drei Helfer für Entladen und Lagerarbeiten bei Gebhardt und Lonig, Im- und Export, Stundenlohn nach erbrachter Leistung.«
    Drei Arme gingen nach oben, es waren die von Regitz, Borsig und mir. Zum ersten Mal wandte mir der König der Tagelöhner das Gesicht zu, musterte mich mit all seiner Menschenkenntnis und zog den Rotz durch beide Nasenlöcher in die Mundhöhle, kurz davor, ihn von dort ins Freie zu befördern.
    »Geht ja genau auf«, freute sich Wilke.
    »Ja«, entgegnete Regitz, »das werden wir noch sehen.«
    Zu dritt verließen wir den Container.
    »Na, du Schlampe, wenns außer Kaffee auch mal Blasen ohne Gummi gibt, sag Bescheid«, grollte Regitz dem studentischen Fräulein im Vorbeigehen zu. Dessen Rotbäckchen wurden blass, ihre Trägerin wankte bedenklich.
    »Aber wahrscheinlich auch noch zu blöd zum Schlucken«, resümierte Regitz, und so schritten wir der Wilhelm-und-Jakob-Grimm-Straße zu, der Heimat von Gebhardt und Lonig. Es hatte funktioniert. Keine Ahnung, was mich erwartete, aber eine leise Ahnung, es werde nichts Gutes sein.

23
    Eine kurze Weile gingen wir nebeneinander her, um, wie es die Dichterin mustergültig formuliert, »gemeinsam zu schweigen«. Drei Proletarier auf dem Weg zur Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital, ihren Marx wie Schillers »Glocke« auswendig im Hinterkopf. Drei Männer wie die Orgelpfeifen: rechts schritt stolz Leopold Regitz mit seinen imposanten Einsneunzig, in der Mitte ich, ein wenig kleiner, und links jener auf den Namen Borsig getaufte Zwerg mit der Schalke-Mütze. Windböen warfen sich uns rowdyhaft in den Weg und rissen halbstark an unserer Bekleidung, Regitzens Zimmermannshut deformierte sich jaulend (tatsächlich, ich habs mit eigenen Ohren gehört) und die Kälte umschmeichelte uns wie die amerikanische Diplomatie bundesdeutsche Außenminister. Es war ein Bild für die Götter.
    »Bist du schwul?«, fragte mich Regitz von der Seite, ohne mich anzuschauen. Ich schüttelte den Kopf, Regitz musste es im Augenwinkel wahrgenommen haben, denn er brummte eine Kadenz der Befriedigung. »Wählst du die FDP?« – Ich erschrak und presste ein »Oh leck! Dann soll ich tot umfallen!« hervor. Wieder brummte es aus Regitzens monströsem Leib. »Trägst du dich mit dem Gedanken, bei ZDF-Shows dämliche Wetten

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