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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Krieger kamikazen auf die Haut krachten und ex plodierten. Ein Geräusch. Ein Schatten strich am Duschvorhang vorbei, stand über der Kloschüssel. Borsig hielt den Atem an, das Wasser rauschte über ihn hinweg, längst war aller Widerstand gebrochen. Jemand pisste, typisches Die-Stange-in-die-Keramik-versen ken, Borsig hasste Stehpinkler. Unhygienisch das, anachronistisches Machogehabe, Schwanz in die Hand nehmen, die letzten Tropfen abschlagen, wer mehr als dreimal schüttelt, onaniert schon.
    Dann wurde der Vorhang zurückgezogen, der Kopf eines mittelalten, sehr übermüdeten Mannes mit grauer Gesichtsfarbe reckte sich in die Kabine, wurde sogleich wieder entfernt. »Drehen Sie mal das Wasser ab!« Eine Stimme, die Befehlen gewohnt war. Borsig, der das Entgegennehmen von Befehlen gewohnt war, drehte das Wasser ab. Der Kopf erschien wieder in der Kabine. »Wer sind Sie? Was machen Sie hier?« Irgendwie hatte Borsig keinen Bock mehr auf existentielle Fragen, außerdem war er nackt, müde, schlecht gelaunt, desorientiert. Er packte den Kerl an der lausig gebundenen Krawatte, zog die ruckartig zu sich hin, sagte: »Noch so eine freche Bemerkung, du elender Stehpinkler, und ich mach mir ein zweites Frühstück aus Rühreiern.«
    »Is ja ok!« Die Stimme des Mannes brach, Borsig ließ die Krawatte los, der Kopf verschwand aus der Kabine. »Entschuldigung, ich bin mit den Nerven am Ende. Kein Wunder« Der Mann setzte sich auf den Klodeckel, barg das Gesicht in den Händen, wischte es mit ihnen durch wie Moslems beim Gebet. »Schon klar.« Borsig hatte sich abgeregt. Er stieg aus der Kabine auf den Flauschvorleger, griff das Handtuch, rubbelte sich ab, zog sich an. Der Mann blickte auf. »Sie sind der Chauffeur?« Borsig verdrehte die Augen. »Sieht das wie eine Nachtwächteruniform aus?« Der Mann überlegte. »Nein. Ach so, noch mal Entschuldigung, dann gehören Sie ja zu uns.« Zu uns? Zu wem? Pah, wieder Fragen. »Na klar«, sagte Borsig, »oder meinen Sie, ich wäre hier Gast duscher? Wie geht’s eigentlich voran?« Die Frage war ihm so rausgerutscht, eine Floskel eher. Der Mann stöhnte auf. »Stress. Alles kompliziert. Aber wir sind im Plan. Die Sache läuft.« Er stand auf, wollte das Bad verlassen. »Hände waschen, Freundchen«, empfahl Borsig. Der Mann stöhnte abermals. »Wenn Sie meinen. Ich bin schon viel zu lange hier.« Er hielt die Hände in den Strahl, formte ein Gefäß, füllte es mit Wasser, warf es sich ins Gesicht.

227
    Wir hörten auch die 14-Uhr-Nachrichten, die 15-Uhr-Nachrichten, saßen vor dem Fernseher und dem Bildschirm des Laptops, aber die Nachrichtenlage war, wie man uns unablässig erklärte, unbefriedigend stabil, Aktualität auf niedrigstem Niveau, das lediglich aus der lapidaren Erklärung bestand, es lägen keine neuen Erkenntnisse vor, Island sei abgeschottet, kein Sterbenswort dringe hinein, geschweige denn heraus. Wir tranken Kaffee und aßen süße Teilchen, bekämpften unsere dicken Köpfe, versicherten uns, alles könne bloßer Zufall sein, versicherten uns im nächsten Augenblick, nicht mehr an Zufälle zu glauben. Jonas und Laura zogen irgendwann, genervt von den räsonierenden Alten, Richtung Spielsalon, »Recherche machen«. Irgendwann war es auch für mich an der Zeit, nach Hause zu gehen.
    Island. Was wusste ich über die Isländer? Nur, dass die Bevölkerung zu je einem Viertel aus Fischern, Schriftstellern, bildenden Künstlern und Finanzspekulanten bestand. Dass sie sich seit Menschengedenken gegen die Natur wehren mussten, nebenbei Amerika entdeckt, einen Literaturnobelpreisträger, eine Miss World und eine Sängerin namens Björk auf die Menschheit losgelassen hatten, bei gerade einmal 370.000 Einwohnern keine kleine Leistung. Auch trugen die meisten männlichen Isländer am Ende ihrer Nachnamen die Silbe -son, was man nicht übersetzen muss, die weiblichen hingegen schmückten sich mit der Nachsilbe -dottir, was Tochter heißt. Sohn des Aasgeir = Aasgeirson, Tochter des Sveinir = Sveinirsdottir. Die Telefonbücher sind alphabetisch nach den Vornamen geordnet, die Preise verflixt hoch, die Essgewohnheiten bizarr, man delektiert sich an halb verdorbenen Schafsköpfen, bei denen die Augen als größte Delikatesse gelten, heiratet ziemlich früh, ist überwiegend blond und die meisten Isländer haben zwei oder drei Jobs, schon die Schulkinder sitzen nach dem Unterricht an den Registrierkassen der Supermärkte und verdienen sich etwas hinzu. Wer sich auf Island zum

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