Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
Vom Netzwerk:
die Ohren wieder unbeweglich steif hielt. Honig drückte auf einen unter dem Schlüssel angebrachten Knopf und gönnte dem Spielzeug eine weitere Runde lustiges Wackeln mit den Extremitäten. Jetzt hörten wir etwa zwanzig Mal »Ei love you hahaha – Ei love you hahaha«.
    »Toll«, schleimte Regitz, »das is was für Intellektuelle. Sehr witzig.«
    Die kleinen dunklen Männer zeigten große weiße Zähne und ließen die Hämmer in den Händen wackeln. Auch Honig grinste angetan. »Ja, genau. Wer nämlich das bilinguale Wortspiel nicht kapiert, hat entertainmentmäßig verschissen. Die Kinder werden so etwas lieben.«
    Wir zweifelten nicht daran. Schließlich war das Spielzeug in Bangladesch auch von Kindern gefertigt worden, damit sich unsere nach anstrengenden PISA-Arbeiten von ihrem Analphabetismus erholen konnten. Honig steckte den Hasen in seine Verpackung zurück und nickte. »Und jetzt an die Arbeit, meine Herren! Punkt ein Uhr kommen die LKWs und bringen das Zeug zu den Kunden.« Er klatschte wie ein Großmotivator in die Hände, rieb diese und las die Daten auf dem ersten Bestellzettel vor. 432 Exemplare gingen nach Katar, die gerade dabei zu sein schienen, alles zu kaufen. Fußballweltmeisterschaften, deutsche Baufirmen, bangladeschische Osterhasen, blonde schwedische Jungfrauen sowieso. Wir seufzten und machten uns an die Arbeit. Die beiden Jungs von der Sonneninsel wuchteten die erste Kiste vor unsere Füße.

25
    Wir schufteten wie die sibirischen Brunnenputzer, ökonomischer Mehrwert entstand im Schweiße unserer Angesichter, wir waren kleine, gut geölte Rädchen im Getriebe der Geschenkkultur, die in unserem Inneren leuchtenden Augen der mit sprechenden und ohrenwackelnden Osterhasen bedachten Kinder trieben uns an – bis Herr Honig, der es zwei Stunden verstanden hatte, jede Kiste zu zählen und uns auf die Finger zu schauen, ein generöses »10 Minuten Pause, aber keine Sekunde mehr« in die Halle donnerte und zu seinem Handy griff. Der devote Regitz wäre beinahe mit einem »Oh dank dir, Massa!« auf die Knie gesunken, die beiden tamili schen Jungs jedenfalls ließen die Hämmer buchstäblich fallen und zogen großzügige Frühstückspakete aus ihren Nageltaschen.
    »Ich geh eine rauchen, kommst mit?« fragte Regitz, doch ich entzog mich der dringend benötigten Nikotinzufuhr heldenhaft mit einem »Muss pinkeln.« »Da hinten die Treppe hoch, zweite links«, klärte der Mann mit den zwei Gesichtern auf, »aber nicht zu viel am Männchen rumspielen.« Ich nickte dankbar.
    - und hatte Glück. Der Bürotrakt lag noch im Dunkeln, allein im Flur wies eine trübe Birne den Weg an den Zimmern vorbei, sämtlich akkurat mit Namensschildchen versehen. Honig hieß tatsächlich Honig, eine Person namens Lonig schien hier nicht zu arbeiten. Ein Georg Weber auch nicht, was sehr merkwürdig war. Allerdings gab es ein Zimmer, für das kein Schildchen den Besitzer des dort garantiert befindlichen Drehstuhles verriet. Die Tür war unverschlossen, ich öffnete sie vorsichtig und leise. Man hätte als erfahrener Detektiv natürlich eine Taschenlampe mitgenommen. Ich aber war ein noch gewiefterer Bursche und machte einfach das Licht an.
    Alle Schubladen waren leer, im Rollschrank an der Wand eine Handvoll Ordner mit Lieferscheinen, akkurat abgehakt und mit dem Kürzel G.W. versehen. Konnte ja sein, dass hier auch ein Gregor Wurst oder eine Georgia Wiener arbeiteten, aber ich glaubte es nicht. Hier hatte bis zu seinem Verschwinden Georg Weber fleißig buchgehalten, doch niemand rechnete mehr mit seiner Rückkehr. Warum wohl?
    Ich absolvierte einen hastigen Toilettengang, rauchte heimlich wie früher auf dem Schulklo und stand pünktlich nach zehn Minuten im nunmehrigen Wirrwarr der geplünderten Kisten. Die Nageljungs kauten noch immer an ihren Broten, Honig hatte sein Handy nach wie vor am Ohr, Regitz und Borsig unterhielten sich etwas abseits über das Vermächtnis von Christoph Schlingensief oder das Für und Wider von Geldanlagen in Zeiten der Eurokrise. Oder über ganz etwas anderes. Dann beendete Honig sein Gespräch, klatschte in die Hände und forderte »Und weiter geht’s! Wir wollen hier ja nicht überwintern.«
    Nach zwei weiteren Stunden waren alle eingehenden Kisten ausgepackt und alle ausgehenden korrekt bestückt und zugenagelt.
    »Verdammt«, sagte Honig, »das waren aber nur 98.«
    »Tja«, bestätigte Regitz, »das hab ich auch festgestellt. Zwei Prozent Schwund sind aber normal, oder?«
    Honig

Weitere Kostenlose Bücher