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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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gefährlich. Irgendein Idiot könnte sich daran erinnern, dass seine Atomwaffenarsenale prächtig gefüllt waren und dringend geleert werden mussten. Also schaffte man kurzerhand die Moderne ab und bombte die Menschheit auf humanere Art als mit Kernwaffen zurück in die Steinzeit. Kein Geld mehr.
    Sie waren am Ende, die Mächtigen, die Verantwortlichen, die Strippenzieher. Sie bereiteten den Ausstieg aus der Geldwirtschaft vor, ganz all mählich, be freiten sich vom Joch der Banken, brachten die Wirtschaft zum Erliegen, fuhren den CO2-Ausstoß damit dramatisch zurück. Und dann?
    Egal. Sie kümmerten sich nicht um die Zukunft, hatten sie noch nie getan. Die Zukunft war das Produkt von gegenwärtigen Zufällen, die man Fakten nannte und irreversibel und alternativlos. Irgendwie würde es weitergehen, darauf hofften sie. Aber wer waren »sie«? Die Politiker, die Industriellen, alle. Da sie wussten, was kommen würde, hatten sie die exklusive Gelegenheit, ihre Schäfchen rechtzeitig ins Trockene zu bringen. Island war der erste Schritt. Aber warum ausgerechnet Island? Gut, das Land war reif. Total pleite, total frustriert, total wütend. Mit einer lebendigen Vergangenheit, der Edda zum Beispiel, jener Sammlung von Heldensagen, die noch heute gelesen werden, mit der Allgegenwart von Elfen und Trollen und anderem unsichtbaren Zauberwerk, was es erlauben würde, eine Mischung aus Mythen und Nostalgie zu etablieren, ein Zurück in die Vergangenheit auf die bequeme Art. Wenn dem aber so war, dann war die ganze Aufregung, die außerhalb Islands herrschte, nichts weiter als Show.
    Langsam kam ich zu mir, ohne dieses albtraumhaltige Szenario wirklich beherrschen zu können. Mein Puls verlangsamte sich, der Schweiß auf der Haut trocknete und wurde noch kälter, ich zitterte, legte mich hin, packte mich in die Decke, sah zum Wecker, der hämisch darauf hinwies, es sei erst kurz nach zwei und »schlaf weiter, wenn du kannst« tickte. Ich zeigte ihm den Stinkefinger und stand auf. Ich war drauf und dran, eine Verschwörungstheorie zu entwickeln, ein Vorgang, gegen den sich mein Intellekt sträubte, aber hoffnungs los unterlegen war. Die Edda. Musste ich irgendwo haben. Auch mal reingelesen, ganz interessant. Im 13. Jahrhundert auf Island verfasst, Götter- und Heldensagen bunt durcheinander, sehr brutal, sehr nüchtern, daraus machte man heute Serienmörderkrimis, ohne die Qualität der Edda zu erreichen. Also aufstehen und Kaffee kochen, egal, wie spät es war.
    Was hoffte ich zu finden? Nichts hoffte ich. Ich war wach, ich müsste eigentlich schlafen, ich konnte nicht schlafen, ich musste etwas tun, das über das Kaffeetrinken und Rauchen hinausging, ich musste einen Hinweis finden, das vielleicht. Auf Jersey tanzten sie wie isländische Feen und Trolle durch die Straßen, auf Jersey passierte etwas, das nach Island verwies. Zuerst die Inseln. Dann das Festland. Die Börsen, die Banken, die Parlamente. Zusammenbruch, Ruin, unbeschreibliche Gewinne und unbeschreibliche Verluste, zwei krachen de Türme in New York wären nichts dagegen. Diesmal steckten keine islamistischen Killer dahinter, diesmal waren es die Biedermänner höchstpersönlich, die das Feuer legten.

277
    »Internierung«, schlug A vor. B unterbrach das Zerkauen seines mit hauchdünnem Parmaschinken belegten Brötchens, total Bio hier alles, die beste Brunch-Location der ganzen Stadt, absolute Diskretion, geschultes Personal. »Internierung?« Er fragte es ungläubig, doch wie er das Fragezeichen ans Satzende malte, klang es so, als überlege er bereits, wie das zu bewerkstelligen sei. War ja kaum mit dem Grundgesetz vereinbar, oder doch?
    A lächelte. »Sie ewiger Jurist.« Damit neckte er ihn oft. Diese nervigen Typen mit ihrem unnützen Jurastudium. Er liebte Süßes am Vormittag, trotz seiner alarmierenden Blutwerte. Gibt guten Zucker, gibt schlechten Zucker, beruhigte er sich. Wenigstens hier, bei den Kohlehydraten auch, galt noch die alte bewährte Dichotomie von Gut und Böse, beim Fressen und in den Krimis. Er las nie Krimis. Er inszenierte gerade einen. Endzeitkrimi. Wenn möglich, ohne Blutvergießen und ohne allzu viel Gewalt. Gut, konnte man nicht für garantieren.
    »Internierung«, wiederholte er und liebäugelte mit einem Marzipanhörnchen. »Hausarrest«, sagte B jetzt, »wie die Tante in Burma oder Birma oder wie das heißt. Die mit dem Nobelpreis. Klappt doch ganz gut bei denen.« Das Mäd chen hinter dem Müslibuffet hatte was. So frisch und

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