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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Schrank, öffnete eine Schublade und entnahm ihm ein Bündel Fünfzigeuroscheine. »6100 Euro«, sagte sie, jede Silbe betonend, »lagen unter der Matratze.« Sie zählte sechs Scheine ab und legte sie vor mich hin. »Nehmen Sie. Das beruhigt mich, ich arbeite ja auch nicht umsonst.«
    Ich nahm das Geld, es beruhigte mich auch. Ihr Bruder werde es verstehen, sagte Sonja weiter, und ich lobte diesen Bruder, der sein Geld auf die gute alte Art sparte und nicht in griechischen Staatspapieren oder gar irgendwelchen Eurobonds angelegt hatte.
    »Außerdem fange ich nächste Woche wieder an zu arbeiten. Hat tatsächlich geklappt.«
    »Ach«, staunte ich, »wo denn? Was sind Sie eigentlich von Beruf?«
    »Buchhändlerin.« Sonja Weber errötete, wie nur Buchhändlerinnen erröten können. »Na ja, ist nur eine Teilzeitstelle im Buchkaufhaus Schiller Sells, aber für den Anfang nicht schlecht.«
    Sie fragte nach Tee oder Kaffee, schenkte mir von ersterem ein und ich war mir nicht sicher, ob ich nun beim Trinken den kleinen Finger würde abspreizen müssen. Sonja Weber jedenfalls tat es. Wir probierten von den kleinen Küchlein und fanden sie deliziös. Ich begann Sonja Weber auf eine seltsame Art attraktiv zu finden, was sie selbst auf normale Art zweifellos war, aber etwas umgab sie, ein Schleier – nein, nein, Moritz, mach dich nicht zum Narren. Der Besitz von sechs Fünfzigern hat dich euphorisch werden lassen und außerdem wirst du immer verlegen, wenn du einer Buchhändlerin gegenübersitzt. Irgendein frühkindliches Trauma, das man besser ruhen lassen sollte. Ich riss mich also zusammen und begann zu berichten, welche Erkenntnisse ich im Fall des verschwundenen Georg Weber bisher gewonnen hatte. Den ominösen Lothar verschwieg ich.

29
    »Oh, das ist seltsam!«
    Der abgespreizte kleine Finger an Sonja Webers Teetassenführhand zuckte ein klein wenig, als ich ihr von meinem Besuch bei Gebhardt und Lonig, Im- und Export berichtete.
    »Sie haben sein Büro leergeräumt, das Schild an der Tür entfernt – heißt das etwa....« Jetzt begann sie zu zittern und stellte die Tasse ab.
    »Nein, nein«, versuchte ich meine Klientin zu beruhigen, obwohl ich den Gedanken, der gerade in Sonja Webers Kopf rumorte, ebenfalls für den plausibelsten hielt. Schon Stalin wusste, wie man säuberte, man bringt jemanden um und dann tut man so, als habe dieser Jemand nie existiert. Gebhardt und Lonig mochten keine Stalinisten sein, aber lernmäßig äußerst flexibel.
    »Wir sollten nicht das Schlimmste befürchten«, sagte ich, das Schlimmste befürchtend, »es gibt 1000 andere Erklärungen, die viel harmloser sind.« Ich nickte tapfer aufmunternd und überlegte, welche 1000 Erklärungen das sein könnten, aber mir fiel keine einzige ein. Wir hoben unsere Teetassen zur gleichen Zeit und tranken sehr langsam, um nichts sagen zu müssen.
    In solchen Momenten müsste es an der Tür klingeln und die Nachbarin um ein Ei für das Pilzomelette nachfragen oder wenigstens das Telefon, sind Sie Herr Södermann, nein, falsch verbunden. Es geschah weder das eine noch das andere, es war still, das Bild des größten anzunehmenden Unfalls, der ein Mord war, stand im Raum.
    »Ich müsste mich mal umsehen«, sagte ich endlich. Sonja Weber nickte. Natürlich, das müsse ich, das verstehe sie. Ich begann im Wohnzimmer, öffnete die Türen und Schubläden des Schrankes, blätterte mich durch unauffällige Kontoauszüge, die Georg Weber als Bezieher eines mittleren Einkommens auswiesen, las flüchtig über Versicherungsschreiben – ein kleiner Wasserschaden, mehr nicht – und entdeckte ein dünnes Bündel intimer, mit einer »Margot« gewechselter Briefe, eine Korrespondenz, die am 12. April 1998 mit dem Weberschen Satz »Ich möchte so gerne das Schnürchen an deinem Tampon sein« (hier hatte er Prinz Charles leicht variiert) begonnen hatte, um am 29. Juni 1998 mit Margots »Fick dich, du Arsch!« desillusioniert zu enden. Dazwischen lagen schwülstige Verbalerotik und diverse Ehestandsbeförderungspläne, das Übliche also.
    Auch meine Recherchen in Schlaf- und Arbeitszimmer, in Küche und Bad blieben erfolglos. Georg Weber war tatsächlich ein Langweiler gewesen, der die Buchreihe »999 Krimiklassiker« abonniert hatte, um damit das Regal in seinem Arbeitszimmer zu füllen. Ich zog wahllos einen Band heraus, es war natürlich »Mord im Orientexpress«. Auch Webers Kleidung inspizierte ich sorgfältig, in einer Jackentasche klimperte es nach Schlüsseln,

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