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Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)

Titel: Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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schwachsinnig »Es gibt eine neue Spur, einen neuen Verdächtigen und einen Zusammenhang zwischen Osterhasen und Osterinseln. Das ist besser als nichts, um nicht zu sagen, das ist ziemliche Scheiße. Die Geschichte wird jetzt noch komplizierter.«
    »Und wir haben St. Malo«, sagte Borsig überraschenderweise und ohne sich an seiner Torte zu verschlucken. »Der gute alte Regitz hängt dort grad ab – ich verfluche seinen Namen – und hat ein schräges Ding im Tornister. Gibt’s da einen Zusammenhang?« Warum er dabei mich ansah, wird immer sein Geheimnis bleiben. Ich machte ein pflichtgemäßes »Tja«, überlegte kurz und führte aus, St. Malo sei eine Hafenstadt, in Hafenstädten gebe es Schiffe, die übers Meer fahren und die Osterinseln be fänden sich, überhaupt kein Zweifel, mitten im Meer, denn das sei der Grund, warum man sie als Inseln bezeichne. »Hm«, machte Hermine wenig überzeugt. Das Klingeln an der Tür rettete mich davor, weitere Details dieser doch sehr abstrusen Theorie auf den Tisch legen zu müssen. Es war Oxana und sie trug unter einem eher unspektakulären Duffle Coat aus schwarz mattem Kunstpelz ein enganliegendes eiergelbes Kostüm sowie rote Lackstiefel bis zu den Knien, was selbst Jonas mit einigem verblüfften Wohlgefallen registrierte und einen Laura-Blick jenseits von heiß und cool erntete.
    Oxana hatte schlechte Laune, sie machte keinen Hehl daraus. »Dieses Arschloch«, schimpfte sie, womit sie nur Marxer meinen konnte. »Na«, beruhigte Hermine, »jetzt reg dich erst mal ab und trink ein Käffchen. Die Torte schmeckt geil, schau dir mal den Kleinen an, der wird hier noch zum Tortensuchti. Ich schneid dir’n Stückel ab.« Oxana nickte, wenig begeistert. »Marxer lässt mich nicht mehr an Sonja ran, der plant ein ganz linkes Ding.« Ihre Stimmung hellte sich schlagartig auf. »Aber hey, eine Kasachin linken? Das haben die Sowjets in achtzig Jahren nicht geschafft, das wird dieser Spast umso weniger packen.«
    Sogar Borsig stellte das Kauen ein und wartete auf Näheres.

113
    »Sonja steht noch immer unter Schock«, berichtete uns Oxana. »Sie verlässt ihr Zimmer selten und ständig streift Marxer um sie herum. Bringt ihr das Essen – das ich gekocht habe –, schickt mich mit überflüssigen Aufträgen aus dem Haus und wenn ich wiederkomme, sitzen sie zusammen und Marxer fragt Sonja aus. Aber das Schlimmste: Marxer schreibt.«
    Das war tatsächlich eine Schreckensnachricht. Schriftsteller, die schreiben, sind beinahe so schlimm wie Müllwerker, die Müll schlucken und dann wieder ausspeien. Ein Krimiautor sollte von der Gesellschaft dafür bezahlt werden, seine schriftstellerische Tätigkeit auf Einkaufszettel und Steuererklärungen zu beschränken. Ein kleines Opfer für den einzelnen Menschen, aber ein großer Gewinn für die Menschheit. Dass Marxer schrieb, machte ihn zu einer Gefahr, manifestierte die perverse Verschwurbeltheit seiner Gedanken, ließ diese dann unsterblich werden, eine nur mit dem Weltuntergang zu entschärfende Zeitbombe, die hartnäckiger mit schädlichen Stoffen kontaminiert war als jedes gespaltene Uranatom.
    Oxana nippte vom Kaffee, gabelte ein winziges Stück Torte, lobte beides knapp und mit wenig schauspielerischer Klasse, fuhr dann fort: »Mein Vater, Alexey Iwanowitsch Bodyrin, Gott hab ihn selig, war beim KGB. Ihr kennt den KGB? Geheimdienst. Kein großes Tier, mein Papuschka, ein kleiner Bürokrat. Aber er hat mir etwas vererbt – leider das einzige –, ein gewisses Talent zur Spionage nämlich. Bis kurz vor halb zwei hat sich Marxer in seinem Arbeitszimmer verschanzt und geschrieben. Wie immer mit Füllfederhalter auf Büttenpapier, er hat eine gestochen schöne Schrift und ich vermute mal, jeder mit gestochen schöner Schrift hält das für die wichtigste Voraussetzung zum Schriftstellerberuf. Wenn Marxer die Tinte nicht mehr halten kann, das merk ich sofort. Er stolpert durchs Haus, schlägt die Türen brutal zu, stolpert über das Tigerfell in seinem Schlafzimmer als wäre schon Silvester und murmelt an einem Stück »Hochliteratur, Hochliteratur« vor sich hin. Wenn er mit dem Schreiben fertig ist, wird er wieder ganz der Alte, sprich ein dümmlich schwätzender geiler Bock. Er ist sofort zu Sonja, ich also ins Arbeitszimmer. Was er geschrieben hat, lag natürlich eingesperrt in einer Schublade des Schreibti sches. Marxer glaubt, es gebe dazu nur einen Schlüssel – den er übrigens an einer Goldkette um seine Lenden mit sich führt.

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