Die Edwin-Drood-Verschwörung 1 - 300 (German Edition)
hinter allem steckt, also nicht das Opfer, sondern der Täter ist. Ein Umstand, der so klar auf der Hand liegt, dass ihn Kevin Kleinlich bis zum Schluss in seiner geistigen Minderbemittelung nicht zu erkennen vermag. Erst als sich der clevere Kriminalschriftsteller John P. Markman in den Fall einschaltet, erhält dieser Struktur und wird genregemäß 1 A aufgearbeitet.
» Hm«, sagte Hermine und sah mich an, »ich will dir nicht zu nahe treten, aber in diesem einen Punkt hat er natürlich recht, dieser impotente, großmäulige Dichter. Darauf, dass Georg Weber gar nicht Opfer einer Straftat wurde, sondern selbst hinter den Morden steckt, bist du wirklich noch nicht gekommen.« Die Contra-Marxer-Stimmung hatte sich ohne Vorwarnung gedreht und drohte zur Contra-Klein-Stimmung zu werden. Es war wie beim Ausstieg zum Atomausstieg, plötzlich war das eben noch gehätschelte Cäsiumatom der Bösewicht.
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Die Torte war inzwischen vollständig vom Erdboden verschwunden und somit der Beweis erbracht, dass selbst die missratensten Produkte der Schöpfung auf dem irrwitzigen Markt von Angebot und Nachfrage ihre Konsumenten finden. Wie auch die Kronen dieser Schöpfung eines Tages dort landen, wo sich die Torte gerade befand: im Magen auf dem Weg zum Darm und aus diesem hinaus.
Oxana streckte sich (alle männlichen Zuschauer streckten sich in Gedanken mit) und sagte, sie lese nun das von Marxer angefertigte Gesprächsprotokoll mit Sonja Weber, die Unterredung habe wohl heute Morgen stattgefunden.
1. Gespräch mit Sonja Weber als Arbeitsgrundlage für den Roman »Im Tal der plaudernden Osterhasen« – Spontane Idee für einen verkaufsfördernden Untertitel: »Mehr als ein Tierkrimi«.
Frage Marxer: Bist du gerne Buchhändlerin? (Anmerkung: Man muss mit etwas Positivem einsteigen, um dann nach und nach zum eigentlichen Kern vor zudringen. Sollte auch Anne Will, die giggelnde Plaudertasche, mal beherzigen. Da ich als Autor Bücher hasse – die eigenen ausgenommen – hasse ich logischerweise auch Buchhändlerinnen. Jedenfalls, wenn sie so aussehen, wie Buchhändlerinnen nun einmal aussehen. Sonja Weber ist eine Ausnahme, mal schauen, was sie antwortet.)
Antwort Sonja Weber: Ja, bin ich. Ich liebe Bücher. Wir hatten diese kleine Buchhandlung bei uns, fast nur alte Bücher. In Großmuschelbach ist man der Meinung, dass ein Roman mindestens 100 Jahre alt sein muss, um wirklich gut sein zu können. Doch, es war eine schöne Zeit. Trotz der bitteren Armut um mich herum. Die Leute kauften nur sehr wenige Bücher, meistens Biografien von Stars und Adligen. Dennoch. Jedesmal wenn wir einen Raabe oder Dickens, einen Stendal oder Fenimore Cooper verkauft hatten, fühlten wir uns glücklich.
Frage Marxer: Und wie hast du Lothar kennengelernt? Auch in der Buchhandlung? Stammt er aus Großmuschelbach?
Antwort Sonja Weber: Nein, nein, ich habe Lothar über meinen Bruder kennengelernt. Er war ja der Bruder von Georgs Chefin und eines Tages, nach dem Tod unserer Mutter, sind beide in Großmuschelbach aufge taucht, wir mussten doch das Erbe regeln, also das kleine Häuschen. Aus irgendeinem Grund war Lothar dabei, und er war so anders als ich. Gar nicht an Büchern interessiert, eher grob, weißt du? Aber das faszinierte mich. Ich hatte noch keine Erfahrung mit Männern, obwohl ich schon 25 war.
(Notiz: Das ist wohl immer so. Späte Mädchen mit einer gewissen intellektuellen Basis stehen auf potente Affen. Das King-Kong-Syndrom. Die kleine blonde Frau in den Fängen des Monsters, sie genießt es, sie wehrt sich nach außen, doch in ihr schreit alles: Nimm mich! Gute Idee, sollte man im Roman ausbauen.)
Frage Marxer: Warum Lothar damals mit nach Großmuschelbach gekommen ist, weißt du aber nicht? Ist doch ziemlich ungewöhnlich. Waren dein Bruder Georg und dieser Lothar so gut miteinander befreundet?
Antwort Sonja Weber: Hm, jetzt wo du es sagst: Nein, eigentlich waren sie gar nicht so gut miteinander befreundet. Ich glaube, sie haben beruflich etwas miteinander gemacht, jedenfalls gingen sie nicht gerade freundschaftlich miteinander um. Aber Genaueres weiß ich nicht.
Frage Marxer: Bist du gleich Lothars Geliebte geworden?
Antwort Sonja Weber: Es hat eine Woche gedauert. Lothar kam plötzlich alleine in die Buchhandlung. Tat so, als interessiere er sich für Literatur, was aber nicht der Fall war. Er sagte: Das einzige Buch, das ich lese, ist mein Sparbuch. Willst mal sehen? Ich lachte ihn aus. Der Witz ist ja
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