Die Ehre der Königin
barfuß über das blaugrüne Gras auf sie zuzueilen. Und dennoch war das Fenster dauerhaft gegen die Außenwelt abgedichtet, versiegelt, und an Courvosiers Hüfte hing der unauffällige Behälter mit einer von der Botschaft ausgegebenen Filtermaske. Er würde sie nicht brauchen, hatte der Botschafter ihm versichert, wenn er seinen Aufenthalt an Land begrenzte …, es sei denn, die Staubzählung in der Atmosphäre stieg an. – Und die Familie seines Gastgebers lebte hier seit neun Jahrhunderten, in einer Umwelt, die in vielerlei Hinsicht gefährlicher war als ein Habitat im All.
Er zwang sich, den Blick vom Fenster abzuwenden und am Wein zu nippen. Als er wieder aufsah, begegnete er dem Blick Yanakovs, der so düster und nachdenklich war wie sein eigener.
Das Mahl ging zu Ende, und Rachel und Anna zogen sich nach einer freundlichen Verabschiedung zurück. Ein anderer Diener – diesmal ein Mann – schenkte importierten Brandy in zierliche Schwenker.
»Ich hoffe, Sie haben das Abendessen genossen, Admiral Courvosier?« fragte Yanakov und schwenkte dabei den Branntwein unter der Nase hin und her.
»Es war exquisit, Admiral Yanakov, wie auch die Gesellschaft.« Courvosier lächelte. »Wie, da bin ich sicher, es beabsichtigt war«, fügte er behutsam hinzu.
»Eins zu null für Sie«, murmelte Yanakov und erwiderte das Lächeln. Dann stellte er aufseufzend den Schwenker beiseite. »Um der Wahrheit die Ehre zu geben, habe ich Sie sozusagen als Entschuldigung zu mir eingeladen«, gab er zu. »Wir haben Sie nicht gut behandelt, ganz besonders Ihre weiblichen Offiziere.« Courvosier registrierte, daß er das Wort ›weiblich‹ ohne das geringste Zögern aussprach. »Ich wollte Ihnen demonstrieren, daß wir nicht vollkommene Barbaren sind. Und daß wir unsere Frauen nicht in Käfigen halten.«
Courvosier zuckten die Lippen, als er den trockenen Tonfall seines Gegenübers bemerkte, und er nahm einen Schluck Brandy. Als er antwortete, sprach er mit gleichmütiger Stimme.
»Das weiß ich zu schätzen, Admiral Yanakov. Doch um offen zu sein, schulden Sie nicht mir eine Entschuldigung.«
Yanakov errötete, aber er nickte.
»Dessen bin ich mir bewußt. Dennoch müssen Sie verstehen, daß wir uns noch an angemessene Umgangsformen gewöhnen müssen. Nach graysonitischem Brauch wäre es der Gipfel der Unanständigkeit, wenn ich eine Frau ohne ihren Beschützer in mein Haus einlüde.« Als Courvosier daraufhin eine Augenbraue hob, vertiefte sich Yanakovs Röte. »Selbstverständlich bin ich mir darüber im klaren, daß Ihre Frauen keine ›Beschützer‹ haben wie unsere. Andererseits muß ich im Auge behalten, wie meine eigenen Leute – meine Untergebenen und die Delegierten des Hauses – reagieren würden, wenn ich so radikal gegen die guten Sitten verstieße. Nicht nur, was sie deswegen von mir denken würden, sondern auch, was sie von Ihren Leuten hielten, die solch eine Einladung annähmen. Deshalb habe ich Sie eingeladen, denn meine Leute sehen Sie in gewisser Weise als Beschützer Ihrer weiblichen Untergebenen an.«
»Ich verstehe.« Courvosier trank noch ein wenig Brandy. »Ich verstehe wirklich und weiß diese Geste zu würdigen. Es wäre mir ein Vergnügen, Ihre Entschuldigung auf diskrete Weise meinen Offizieren zu übermitteln.«
»Ich danke Ihnen.« Yanakovs Erleichterung und Dankbarkeit waren offensichtlich. »Es gibt Kräfte auf dieser Welt, die sich schon dem Gedanken an eine Allianz mit Manticore widersetzen. Einige fürchten Einflußnahme von außen, andere, daß eine Allianz uns Havens Feindschaft einbringen und nicht davor schützen würde. Protector Benjamin und ich sind nicht unter den Zweiflern. Wir sind uns nur zu bewußt, was ein Bündnis uns einbringen könnte, und ich meine nicht nur in militärischer Hinsicht. Dennoch scheint es, daß alles, was wir seit Ihrer Ankunft getan haben, falsch ist, daß es einen Keil zwischen Sie und uns getrieben hat. Und selbstverständlich hielt sich Botschafter Masterman bereit, diese Keile bei jeder Gelegenheit noch tiefer zu treiben. Das bedaure ich zutiefst, Admiral Courvosier, und Protector Benjamin ebenso. Er hat mir aufgetragen, Ihnen sein Bedauern auszusprechen – sowohl persönlich als auch als Staatsoberhaupt von Grayson.«
»Ich verstehe«, wiederholte Courvosier wesentlich sanfter als beim ersten Mal. Ein Schauder durchfuhr ihn. Das war die bisher offenste Interessenbekundung, ein Sichöffnen, von dem er wußte, daß es dazu gedacht war, ergriffen zu
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