Die Ehre der Königin
dritte Frau.« Anna sah ebenfalls lächelnd auf und streckte die Rechte vor, um ihrerseits einen Handkuß zu erhalten. »Meine Schwester Esther bat mich, Ihnen ihr Bedauern auszurichten, Admiral Courvosier«, fuhr Rachel fort, und Courvosier hätte beinahe gestutzt, bevor ihm einfiel, daß alle Ehefrauen eines graysonitischen Haushaltes einander »Schwestern« nannten. »Sie hat sich mit einer Erkältung angesteckt, und Dr. Howard hat ihr Bettruhe verordnet.« Rachels graziöses Lächeln verwandelte sich in etwas, das einem Grinsen bedenklich nahekam. »Ich versichere Ihnen, daß sie andernfalls erschienen wäre. Wie alle von uns war sie äußerst gespannt darauf, Sie kennenzulernen.«
Courvosier fragte sich, ob es nun angebracht sei auszudrücken, daß er Esther gern zu einem anderen Zeitpunkt kennenlernen wolle. Es schien harmlos genug, doch die Graysons waren für ihre Eifersucht bezüglich ihrer Frauen bekannt. Es war wohl besser, sich für eine Formulierung mit weniger Fauxpas-Potential zu entscheiden.
»Bitte richten Sie ihr aus, daß ich sehr bedaure, daß ihre Krankheit sie fernhält.«
»Das werde ich tun«, antwortete Rachel und deutete graziös auf den vierten Stuhl am Tisch.
Als Courvosier sich gesetzt hatte, schlug sie ein kleines Glöckchen an, und schweigsame, sehr beflissene Servierfrauen – Mädchen sind es , dachte er, die Graysons haben keinen Zugang zum Prolong-Verfahren – kamen mit Tabletts voller Speisen herein.
»Bitte haben Sie keine Angst zu essen, was Sie wollen, Admiral Courvosier«, sagte Yanakov, während ein Teller vor seinen Gast gestellt wurde. »Alle Speisen stammen von den Orbitalfarmen. Sie enthalten so wenig Schwermetalle wie etwas, das auf Manticore oder Sphinx angebaut wurde.«
Courvosier nickte, aber er wußte es besser, als gleich zuzulangen. Er wartete, bis die Dienstboten sich zurückgezogen hatten, und senkte respektvoll den Kopf, denn Yanakov bat vor dem Essen um einen Segen für das Mahl.
Die graysonitische Küche erinnerte Courvosier an eine Kreuzung zwischen der orientalischen von Alterde und New Toscana auf Manticore – das Essen war ausgezeichnet. Selbst bei Cosmo’s hätte Yanakovs Küchenchef als Fünf-Sterne-Koch gezählt. Das Tischgespräch war überhaupt nicht so, wie der Admiral es erwartet hatte. Yanakov und seine Offiziere – um genau zu sein, alle Graysons – waren in Gegenwart der weiblichen manticoranischen Offiziere stets steif und unnatürlich gewesen oder kaum verhohlen herablassend. Dadurch hatte Courvosier die Vorstellung entwickelt, das Privatleben der Graysons sei finster und freudlos, eine Welt, in der Frauen nur selten gesehen und niemals gehört wurden. Im Gegensatz zu dieser Erwartung waren Rachel und Anna Yanakov lebhaft und ausdrucksvoll. Ihre Zuneigung zu ihrem Gatten war unmißverständlich, und ohne die Barrieren der Förmlichkeit erwies Yanakov sich als völlig anderer Mensch, entspannt und in der vertrauten Umgebung selbstsicher. Courvosier bezweifelte nicht, daß der Abend wenigstens zum Teil dazu dienen sollte, ihm die menschlichere Seite Graysons vorzuführen, und dennoch spürte er, wie er sich in der Atmosphäre echten Willkommens entspannte.
Leise spielte Musik während des Essens. Es war nicht die Sorte Musik, an die Courvosier gewöhnt war – Graysons klassische Musik basierte auf etwas, das man ›Country and Western‹ nannte. Trotz des Untertons von Traurigkeit war sie erstaunlich lebhaft. Der Speiseraum war, selbst nach den Maßstäben manticoranischer Planetenbewohner, riesig. Er besaß eine hohe, gewölbte Decke, üppige, gobelinartige Wandbehänge und Ölgemälde im alten Stil. Religiöse Themen überwogen, die wenigen Landschaftsgemälde spiegelten eine sehnsüchtige, bittersüße Schönheit wider. Sie strahlten die Stimmung des Verlorenseins aus, wie Fenster ins Elfenland, so als könnte die Lieblichkeit, die sie zeigten, den dort lebenden Menschen niemals wirklich eine Heimat sein und doch auch niemals etwas anderes als Heimat.
Und zwischen zwei dieser sehnsüchtigen Gemälde befand sich ein gewaltiges Erkerfenster … Es besaß Doppelverglasung und schloß mit dem Rahmen hermetisch ab; unter ihm befand sich ein Lufteinlaßfilter.
Tief im Innern erschauerte Courvosier. Die Aussicht durch das Fenster war atemberaubend – ein Bogen aus schroffen, schneegekrönten Bergen, auf deren Hängen dichte, üppige Vegetation wuchs, welche ihn beinahe anflehten, sich die Stiefel von den Füßen zu schütteln und
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