Die Ehre der MacLaughlins (German Edition)
Mission trotz allem
alles andere als ungefährlich war, doch dieses Risiko musste sie ihrer Tochter
zuliebe eingehen.
Mit
quietschenden Reifen bog die Taxe um die Ecke und hielt direkt vor dem
Hoteleingang an. Unauffällig griff Joans nach Ewans Arm, weil sie spürte, wie
er zögerte. Diese lauten Blechkutschen waren ihm nicht geheuer, auch wenn er
sich in den vergangenen beiden Tagen an diese seltsamen Vehikel hatte etwas
gewöhnen können.
Schließlich
gab er sein Zaudern auf und ließ sich neben seiner Frau in das Polster der
Rückbank fallen.
„Zur
nächsten Klinik bitte“, sagte Joan selbstsicher zu dem kaugummikauenden Fahrer.
„Es ist sehr dringend.“
„Ein
Notfall?“
„Allerdings.“
Der
Fahrer drehte sich unsicher um. „Das nächste Krankenhaus ist eine Tierklinik,
Madam.“
Joan
schnappte kurz nach Luft, dann sagte sie so ruhig wie möglich: „Wir würden dann
doch das nächste Krankenhaus für Menschen vorziehen.“
„In
Ordnung, das ist das St. Ortwin Hospital. Würden Sie Ihrem Begleiter bitte
sagen, dass er sich anschnallen soll?“
Ewan
sah misstrauisch auf, als seine Frau ihm einen lederartigen Gurt um die Brust
legte, doch er blieb ruhig. Joan wusste sicher schon, was sie tat.
Der
Fahrer gab Gas, als ginge es um sein Leben, und nur zehn Minuten später hielt
er vor einem riesigen rot verklinktem Backsteinbau.
„Soll
ich warten?“, fragte der Fahrer, und als Joan verneinte, präsentierte er die
Rechnung von satten einhundert Pfund. Vor der Inflation hatte man für diesen
Preis einen Flug ins europäische Ausland buchen können, fuhr es Joan durch den
Kopf, behielt ihre Meinung jedoch für sich, denn der arme Mann konnte
schließlich nichts für die Weltwirtschaftskrise.
Unbeholfen
stieg Ewan aus, er hatte während der Fahrt kein einziges Wort gesprochen. Das
schnelle Dahingleiten über die glatten Straßen hatte er keineswegs genossen,
doch er würde sich hüten, Joan dies einzugestehen.
„Wie
geht es dir, Liebster?“, fragte Joan anteilnehmend, als sie trotz der
Laternenbeleuchtung sah, dass Ewan recht blass unter seiner natürlichen Bräune
geworden war. „War es sehr schlimm?“
Er
schüttelte heftig den Kopf. „Wo denkst du hin? Aber ich sage dir ganz ehrlich,
an diese Art von Fortbewegungsmittel könnte ich mich niemals gewöhnen – da ist
mir ein stabiler Holzwagen sympathischer.“
Sie
bedachte ihn mit einem zärtlichen Lächeln. „Mit einem Auto hättest du auch kaum
Chancen, in den Highlands vorwärts zu kommen.“ Sie spähte zum hell erleuchteten
Hauptportal und hielt Ewan zurück, als dieser darauf zugehen wollte. „Nicht
hier. Lass uns nach einem Nebeneingang sehen, durch den wir uns ins Krankenhaus
schmuggeln können.“
Achselzuckend
folgte Ewan seiner Frau, die zielstrebig voranschritt. Sie stieß einen kleinen
Triumphschrei aus, als sie entdeckte, wonach sie gesucht hatte.
„Da!
Das muss der Personal- und Liefereingang sein!“ Sie beschleunigte ihren
Schritt, sodass Ewan Mühe hatte, trotz seiner langen Beine mitzukommen.
„Und
jetzt?“, fragte er im Flüsterton. „Was hast du nun vor?“
Die
Tür war nur angelehnt, wie Joan gleich darauf feststellte. „Du wartest hier;
versteck dich am besten dort drüben in der Nische.“
„Ich
denke nicht daran, dich allein gehen zu lassen!“, protestierte er. „Ich habe
versprochen, dich zu beschützen, und wie soll ich das tun, wenn ich nicht in
deiner Nähe bin?“
Sie
beruhigte ihn. „Hier bist du mir eine größere Hilfe, Liebster. Ich schleiche
mich hinein und suche den Umkleideraum für das Personal. Wenn ich Glück habe,
finde ich einen passenden Kittel, den ich mir überwerfe, sodass mich jeder für
eine Krankenschwester hält. In diesem Aufzug mache ich mich auf die Suche nach
einer Medikamentenkammer und hoffe, sie ist nicht verschlossen.“
„Und
wenn sie verschlossen ist?“
Sie
machte eine ratlose Miene. „Dann weiß ich auch nicht weiter.“
„Hätte
ich mein Breitschwert bei mir, würde ich die Leute da drinnen zwingen, dir die
Medizin zu geben.“
Trotz
der ernsten Situation musste Joan grinsen. „Vergiss es lieber gleich wieder und
stell dich dort hinten hin, in den Schatten der Nische.“
Bevor
er ein weiteres Mal protestieren konnte, drückte sie ihm einen schnellen Kuss
auf den Mund und schlüpfte durch den schmalen Türspalt. Sie betrat einen langen
breiten Gang, der durch Neonröhren dürftig erhellt wurde und die mit ihrem
monotonen Summen Joan noch nervöser
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