Die Ehre der MacLaughlins (German Edition)
machten, als sie ohnehin schon war.
Zu
beiden Seiten des Ganges befanden sich Türen, die Joan leise eine nach der
anderen öffnete. Dahinter befanden sich Wäschekammern, Räume mit Regalen voller
Laken, Handtüchern und Verbandsmaterial.
An
einem Haken neben der Tür, hinter der sich Putzmittel befanden, hing ein
hellblauer Kittel, den sich Joan überstreifte, ohne lange nachzudenken.
Vermutlich handelte es sich um den Arbeitskittel einer Putzfrau, aber Joan
konnte nicht wählerisch sein. Der Kittel war mindestens sechs Nummern zu groß,
stellte sie mit einer Grimasse fest, doch er müsste eigentlich ausreichen, um
als Mitglied des Personals erkannt zu werden, falls sie entdeckt werden sollte.
Auf
Zehenspitzen schlich sich Joan weiter und erreichte einen Aufenthaltsraum, in
dem Licht brannte, sich jedoch niemand aufhielt. Auf dem langen Tisch standen
benutzte Kaffeebecher, Reste von Fast Food und halbleere Colaflaschen; vermutlich
würde es bis zur nächsten Pause noch etwas dauern.
Am
Ende des Ganges fand Joan endlich, wonach sie verzweifelt gesucht hatte – einen
Raum, der bis zur Decke mit Medikamenten und Nährlösungen gefüllt war.
Geräuschlos
schloss Joan die Tür hinter sich und hoffte, dass nicht gerade in diesem
Augenblick jemand Nachschub für seine Station benötigte. Konzentriert schritt
sie Regal um Regal ab, sah Kartons mit Abführzäpfchen, Augentropfen und
Rheumasalben. Zwischen einem Stapel mit Ampullen gegen Tetanus und Diabetes
entdeckte Joan die lebensrettende Medikamente.
Hastig
griff sie nach einem der Kartons, der ihr vor Aufregung um ein Haar aus den
Händen fiel. Er war bis zum Rand mit Kärtchen voller kleiner weißer Tabletten
gefüllt, die jedoch keinerlei Bezeichnung hatten außer ihrem pharmazeutischen
Namen.
Vor
Enttäuschung schluchzte Joan kurz auf. Wie konnte sie feststellen, gegen welche
Art von Erkrankung diese Antibiotika waren?
Doch
dann entdeckte sie zu ihrer Erleichterung den Zettel, der an der Längsseite des
Kartons angebracht war. Offensichtlich handelte es sich um ein Medikament gegen
Harnwegsinfektionen. Sie stellte den Karton zurück ins Regal und griff aufs
Geradwohl nach einem anderen.
Erst
nach einer Viertelstunde fand sie das richtige Antibiotikum, es wurde
eingesetzt bei Bronchial- und Lungenerkrankungen, speziell bei
Lungenentzündungen!
„Volltreffer“,
wisperte Joan leise und überlegte kurz, ob sie den gesamten Inhalt des Kartons
mitnehmen sollte. Doch das war Blödsinn, denn die Medikamente hatten nur eine
begrenzte Haltbarkeit und würden niemandem im achtzehnten Jahrhundert dienen,
der vielleicht in fünf Jahren erkrankte.
Erst
jetzt fiel Joan auf, dass sie keinerlei Tasche mitgenommen hatte; deshalb
stopfte sie drei Dutzend der Tablettenkärtchen in die Seitentaschen des
Kittels; dazu wanderten Penicillin, Kopfschmerztabletten und verschiedene
Salben in die Kitteltaschen.
Flüchtig
blickte sich Joan in dem schwach erhellten Lagerraum um; hatte sie etwas
Wichtiges vergessen? Dies war die einzige Chance, lebensrettende Medizin in die
Vergangenheit zu bringen, denn Joan hatte nicht vor, jemals zurückzukommen.
Im
selben Augenblick, in dem sie ihre Hand nach dem Türgriff ausstreckte,
erstarrte sie. Vom Gang her waren mehrere Stimmen zu hören; dem munteren Ton
nach einige Pfleger auf dem Weg zum Aufenthaltsraum.
Joans
Herz setzte einen Schlag aus, als die Stimmen näher kamen. Es gab keine
Versteckmöglichkeit in diesem Raum, und den Gedanken, von den Männern in einem
viel zu großen Reinigungskittel gefunden zu werden, die Taschen voller
Medikamente gestopft, mochte sie nur ungern weiterspinnen.
Doch
sie hatte Glück. Die Stimmen entfernten sich, und gleich darauf wurde eine Tür
geschlossen. Vor Erleichterung schloss Joan für einen Moment die Augen, holte
dann tief Luft und wagte sich hinaus auf den nun wieder menschenleeren Gang.
Gut,
dass das Pflegepersonal die Tür des Aufenthaltsraumes geschlossen hatte, sonst
wäre Joans unerlaubter Rückzug auf jeden Fall bemerkt worden.
Die
letzten Schritte bis zur Eingangstür rannte Joan fast. Wenn ihr nur nicht
gerade jetzt jemand in die Quere kommen würde! Noch wenige Zentimeter, dann
stieß sie die schwere Tür auf und stürmte ins Freie. Wie nach langer
Gefangenschaft atmete sie tief die klare Nachtluft ein.
Ein
Schatten aus dem Nichts ließ sie herumfahren.
„Hast
du die Medizin gefunden?“, erkundigte sich Ewan im Flüsterton. „Wir sollten von
hier verschwinden, bevor man uns
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