Die Ehre des Ritters (German Edition)
wurde.
Abrupt zog sie die Zügel an und wandte sich im Sattel um. Der Weg hinter ihr lag verlassen. Niemand schlich sich an sie heran. Kein Grund zur Sorge. Sie lachte nervös auf und schüttelte erleichtert den Kopf, bereit weiterzureiten.
»Guten Morgen, Isabel.«
Ohne sich umzudrehen, erkannte sie die tiefe Stimme und wäre fast aus dem Sattel gefallen, als sie Griffin zwischen den Bäumen zu ihrer Linken stehen sah. Er lehnte am Stamm einer knorrigen alten Eiche und schien keineswegs überrascht, sie zu sehen – und auch keineswegs erfreut.
»Ihr!«, stieß sie fassungslos hervor. »Wie habt Ihr mich eingeholt? Ich reite seit Stunden, und Ihr seid zu Fuß!«
»Tatsächlich habe ich den Großteil der Nacht auf meinem Hintern verbracht, dank des Schlages, den Ihr mir verabreicht habt.«
Sie krauste verwundert die Stirn. »Das verstehe ich nicht.«
»Ihr seid dem Waldpfad gefolgt«, antwortete er schulterzuckend.
»Er führt nach Montborne, habt Ihr behauptet.«
Griffin schüttelte den Kopf. »Der Pfad wird für die Jagd genutzt. Er verläuft in einem großen Kreis.«
»Ihr habt gelogen!«
»Nein, Mylady«, erwiderte er ruhig. »Montborne liegt tatsächlich in der Richtung, die ich Euch gewiesen habe. Aber dieser Pfad wird Euch nicht dorthin bringen, ich hingegen schon.«
»Ich brauche Eure Hilfe nicht«, erklärte sie, verärgert über seine Arroganz und verstimmt über sich selbst, dass sie wertvolle Zeit vergeudet hatte.
Als sie dem grauen Hengst die Sporen geben wollte, schnipste Griffin mit den Fingern und rief seinen Namen. Zu ihrem Ärger missachtete das Tier ihre Anweisungen und folgte stattdessen seinem Herrn.
»Es ist bereits Morgen«, sagte Griffin und nahm ihr die Zügel aus der Hand. »Dom wird uns sicher bald vermissen. Wollt Ihr etwa hier herumsitzen und weiter mit mir streiten, bis er uns findet, oder wollt Ihr, dass ich uns nach Montborne bringe?«
Isabel blickte ihn in stummer Verärgerung an. Ihr Stolz drängte sie dazu, ihn zurückzuweisen, trotz der Tatsache, dass er ihre einzige Hoffnung zu sein schien. Nichts wünschte sie sich mehr, als auf seine Hilfe verzichten zu können. Sie wünschte, sie könnte die Tatsache leugnen, dass sie Griffin vielleicht doch brauchte, wenn auch nur ein kleines bisschen. Ihr Verstand indes gewann die Oberhand über ihren Stolz.
Mit zusammengebissenen Zähnen gab sie nach: »Na schön. Offenbar habe ich keine andere Wahl, also bringt mich nach Montborne.«
»Eine vernünftige Entscheidung, Mylady«, sagte Griffin, setzte den Fuß in den Steigbügel und schwang sich hinter ihr in den Sattel.
Isabel beunruhigte die Nähe seiner muskulösen Brust und seiner kräftigen Oberschenkel. Schon wollte sie protestieren, dass er sie so besitzergreifend festhielt, doch im nächsten Augenblick gab er dem Tier die Sporen, und sie preschten voran. Es war der Beginn einer Reise, von der Isabel ahnte, dass sie sie für immer verändern würde.
Dominic of Droghallow war keineswegs erfreut über das Klopfen, das er wenige Stunden später in aller Frühe an seiner Tür vernahm. Das unaufhörliche Hämmern weckte ihn aus einem tiefen Schlaf der Trunkenheit und körperlichen Befriedigung. Genüsslich schmiegte er sich an die weichen Glieder seiner hübschen blonden Bettgesellin. Longchamps Großnichte war eine entzückende Überraschung gewesen, eine Jungfrau, bezaubernd und temperamentvoll, und dennoch hatte sie ihm ihre Tugend bereitwillig geopfert, nachdem sie von seinen zahlreichen Anwesen erfahren hatte, die er der Krone abgekauft hatte, um seinen Anteil zur Finanzierung des Kreuzzugs zu leisten. Dom war fast geneigt, um ihre Hand anzuhalten, sobald sein Geschäft mit Prinz John erledigt war.
Der Bruder des Königs stand im Begriff, ein Bündnis mit Philipp von Frankreich zu schließen, und hatte heimlich arrangiert, dass der französische König die Verwaltungshoheit über einige strategisch wichtige Territorien erhielt, sobald Richard durch seinen Kreuzzug abgelenkt war. John hatte Philipp als Gegenleistung für seine Unterstützung Grenzländereien auf englischem Gebiet angeboten, darunter auch den Besitz, den Isabel de Lamere kürzlich geerbt hatte und der durch die kurzfristig angesetzte Hochzeit mit Sebastian of Montborne beinahe verloren gewesen wäre. Prinz John hatte Dom zu verstehen gegeben, dass Droghallows ehrgeiziger Lord viel gewinnen konnte, wenn es ihm gelänge, die Hochzeit zu verhindern – mit welchen Mitteln auch immer.
Dom konnte es kaum
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