Die Eifelgraefin
versteckt, damit es niemand bemerkt.»
«Eine weise Vorsichtsmaßnahme» lobte der Mönch. «Hattest du noch einmal einen ungewöhnlichen Traum, Luzia? Oder Ihr, Elisabeth?» Er blickte erwartungsvoll zwischen den beiden Frauen hin und her, doch beide schüttelten den Kopf.
Luzia dachte angestrengt nach. «Vielleicht haben wir ja deshalb nichts geträumt, weil wir das Kreuz jetzt in der Truhe aufbewahren. Zuletzt hat es doch nur etwas bewirkt, wenn wir es unters Kopfkissen geschoben haben.»
«Das wäre natürlich möglich.» Ratlos kratzte sich Bruder Georg am Kinn. «Bliebe also nur, es noch einmal auszuprobieren. Vielleicht erhalten wir so einen Hinweis.»
Elisabeth und Luzia schauten einander unsicher an. Beiden war nicht wohl in der Haut bei dem Gedanken, noch einmal einen seherischen Traum herbeizuführen. Doch schließlich nickte Luzia. «Ich mache es – gleich heute Nacht. Bei mir hat es doch bisher besser gewirkt als bei Euch, Herrin.»
Elisabeth zögerte. «Mag sein, jedenfalls erinnere ich mich nicht daran, was ich bei meinem letzten Versuch geträumt habe. Aber Bruder Georg … Kann das nicht auch gefährlich werden? Wer weiß, was Luzia träumen wird oder ob nicht noch etwas Schlimmeres passiert.»
«Darüber habe ich auch schon nachgedacht», stimmte der Benediktiner zu. «Aber ich habe den Eindruck gewonnen, dass das Kruzifix zwar offenbar eine Botschaft aussendet, die für den Empfänger derselben jedoch nicht unmittelbar gefährlich ist. Ein böser Traum ist sicherlich unangenehm, schadet jedoch nicht demjenigen, der ihn träumt.»
Am Abend holten sie das nach wie vor summende undleuchtende Kruzifix aus der Kleidertruhe, und Luzia schob es sich, mit einem dicken Leinentuch umwickelt, unters Kissen. Am folgenden Morgen konnte sie jedoch lediglich berichten, dass der Traum von ihrem leeren Vaterhaus in Blasweiler wiedergekehrt war. Neue Erkenntnisse oder Erklärungen für das Phänomen ergaben sich daraus nicht.
32. KAPITEL
«Schau dir das an – ein abgerichteter Bär!» Staunend blieb Elisabeth am Rand des Marktplatzes von Ahrweiler stehen. Zwei Schausteller führten einen zottigen braunen Bär an einer Kette vor, der sich auf die Hinterbeine stellte und sich schwankend vor- und zurückbewegte, sodass es aussah, als tanze er zu der Musik, die ein dritter Mann auf einer Fidel spielte. Die umstehenden Zuschauer klatschten begeistert.
«Wie groß er ist!» Luzia schaute gebannt zu und schauderte ein wenig, als das Tier sich wieder auf die Vordertatzen fallen ließ, das Maul aufriss und ein dröhnendes Brüllen ausstieß.
Der Maimarkt in Ahrweiler hatte aber nicht nur Gaukler angezogen, sondern, ganz wie Hedwig versprochen hatte, auch unzählige fahrende Händler und Kaufleute, die seltene und begehrte Waren feilboten. Gewürzkrämer hatten ihre Stände neben Tuch- und Wollhändlern aufgebaut, Sarwürker boten Ringpanzer und Kettenhemden an, die wie leblose Körperteile von Haken herabhingen. Daneben gab es Papier- und Pergamenthändler, Höker, Schuhmacher, Reliquienhändler und Barbiere, die das Haareschneiden, Rasieren oder Zahnreißen gleich an Ort und Stelle zu erledigen versprachen.
Ziegen, Hühner und Schweine wurden ebenso feilgebotenwie Schmuck, Kämme, Borten oder Tonwaren. Und über allem schwebte ein herrlicher Duft von gebratenem Fleisch, das über offenen Feuerstellen gegart und zum Verzehr verkauft wurde, sowie von vielfältig gefüllten Pasteten, Krapfen und noch vielerlei weiteren Leckereien.
Die Burgbewohner von Kempenich waren schon am Vorabend eingetroffen und hatten sich in einer Herberge einquartiert. Nun genossen sie seit dem frühen Vormittag das Gedränge und Gewimmel von einheimischen und auswärtigen Marktbesuchern. Da es fast unmöglich war, als Gruppe in der Menge beisammenzubleiben, hatten sie sich getrennt. Hedwig und Simon waren mit Herzelinde und Gertrud losgezogen, und Elisabeth schlenderte mit Luzia und Bruder Georg von Stand zu Stand. Der Benediktiner hatte den Verkaufstisch eines Buchbinders entdeckt und war nun beschäftigt mit dem Stöbern in den gelehrten Schriften. Sein Interesse an Töpfen, Bändern oder Mantelschließen war daher vollends erlahmt.
Elisabeth hatte bereits diverse Stoffe für Kleider erstanden, die ein Gehilfe des Tuchhändlers in die Herberge bringen würde. Auch Borten, Garn und ein wenig Schmuck und Zierrat hatte sie gekauft. Luzia hütete ihr Geld zwar wie einen Schatz, doch inzwischen hatte sich auch ihr Korb mit
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