Die Eifelgraefin
stehen und lauschte. Von unten waren Stimmen zu vernehmen – aufgebrachte Stimmen. Sie schienen aus dem großen Saal zu kommen. Wenn die Türen zu den einzelnen Stockwerken offen standen, trug die Wendeltreppe den Schall bis ganz nach oben hinauf.
Sie wusste, dass es sich nicht schickte zu lauschen – das würde sie Bruder Georg beichten müssen –, doch sie hatte die beiden Stimmen erkannt und konnte sich ihrer Neugier nicht erwehren. Leise ging sie ein paar weitere Stufen hinab.
***
Aufgebracht lief Johann vor seinem Vater auf und ab, der auf einer der Bänke im großen Saal saß und gelassen mit seinem Weinbecher herumspielte. «Du willst Aleidis also gegen die Wollweberin austauschen? Hast du vielleicht mal daran gedacht, mich vorher zu fragen?»
Notker hob lediglich die Brauen. «Warum sollte ich? Noch bin ich der Herr über mein Land und meine Leute. Überhaupt – ich weiß gar nicht, weshalb du dich so aufregst. Sei doch froh, dass ich das Weib an einen Schankwirt verkuppele. So sind wir sie los, und du hast eine Sorge weniger.»
Johann blieb stehen. «Das ist nicht der Punkt, Vater.»
«O doch, genau das ist der Punkt.» Nun wurde auch Notkers Stimme lauter. «Was hätten wir denn mit ihr anfangen sollen? Das uneheliche Balg macht sie ja nicht gerade ehrbar, wie?» Er lachte gehässig. «Glaub mir, ich kenne mich da aus. Sie ist bloß eine Frau ohne Stand und Rang. Du hattest deinen Spaß mit ihr, aber kannst dich nicht ewig wie eine Heulsuse verhalten. Wir verheiraten sie mit Simons Schankwirt und fertig. Sie wird froh sein, überhaupt noch einen Mann abzukriegen nach all den Jahren, und wird ihn mit Kusshand nehmen, glaube mir. Und damit ist sie sogar noch klüger als du, mein Sohn.»
Johann hob den Kopf. «Was soll das heißen?»
«Das, was ich gesagt habe», knurrte Notker gereizt. «Sie wird zugreifen, wenn ihr einer die Ehe anträgt. Und wir werden dafür sorgen, dass er es tut. Aber was ist mit dir? Willst du ewig deiner ersten Frau hinterhertrauern? Sie war ja ein nettes Ding, aber was nützt dir das jetzt? Willst du nicht langsam daran denken, einen Erben in die Welt zusetzen? Einen legitimen, meine ich, und vorzugsweise männlich?»
Johanns Miene wurde finster. «Vater, ich denke nicht daran …»
«O doch, mein Sohn, du denkst sehr wohl daran. Das ist eine väterliche Anordnung. Ich sprach kürzlich mit Hans Grosse über dich. Er meint, du habest Gefallen an seinen Mädchen gefunden, und erhofft sich demnächst einen diesbezüglichen Antrag. Ich würde dir zu Kathryn raten. Sie ist zwar ein bisschen jung, aber dafür wirkt sie gesünder und kräftiger. Das ist ein wichtiger Punkt, den wir bedenken sollten. Wir wollen doch nicht, dass sie dir genauso schnell wegstirbt wie Mariana.»
Johann blitzte ihn an. «Ich denke nicht daran, ein vierzehnjähriges Kind zu heiraten!»
Notker seufzte theatralisch und nickte dann ergeben. «Also gut, dann eben die Maria. Ihre Mitgift ist ansehnlich und sie selbst auch. Was ist sie jetzt – siebzehn Lenze? Also abgemacht. Du machst ihr den Hof, und wenn ich aus Böhmen zurück bin, erwarte ich, dass sie ihre Aussteuer beisammenhat und du mit ihr vor die Kirchenpforte trittst.» Mit einem harten Klacken stellte Notker den leeren Weinbecher auf dem Tisch ab und erhob sich. «Mach nicht so ein Gesicht, Johann. Man könnte meinen, du seiest ein Waschlappen. Oder gefällt dir die Maria etwa nicht? Ich finde sie ja nicht übel, aber das ist Geschmackssache. Außerdem brauchst du sie auch gar nicht zu mögen. Denk nur an ihre Mitgift und die strammen Söhne, die sie dir austragen wird. Zu deinem Vergnügen findet sich bestimmt anderswo etwas Passendes.» Notker lachte leise.«Und sorge dafür, dass Aleidis so rasch wie möglich zu diesem Schankwirt gebracht wird. Ich breche morgen in aller Frühe auf.»
***
Als sie Notkers Schritte auf den Stufen hörte, wich Elisabeth rasch in die Steinkammer zurück und presste sich in die Nische neben der Tür. Der Graf stieg mit schnellen Schritten, und ohne zu zögern, hinauf in das zweite Obergeschoss, wo Hedwig ihm die Kammer neben dem Schlafraum der Knappen zugewiesen hatte.
Ihr Herz pochte schnell und hart gegen ihre Rippen. Es war also alles wahr, was man sich über Notker von Manten und seinen Sohn erzählte! Offenbar hielten sie sich an den armen Frauen aus ihren Dörfern schadlos und … Elisabeth spürte eine unbändige Wut in sich aufsteigen. Obwohl sie wusste, dass es besser gewesen wäre,
Weitere Kostenlose Bücher