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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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Gedeck.«
    Simon lächelt höflich. Ich bin nicht mehr zu bremsen. Während der Kellner mein Lammfilet serviert, erzähle ich von anderen spektakulären Engagements und den jeweiligen Körperteilen, die dabei zum Einsatz kamen, von den abgeschliffenen Holzdielen meines Yogastudios und einem mehrwöchigen Aufenthalt in einem burmesischen Meditationscamp, den ich für das nächste Frühjahr geplant habe. Simon hört mit unbewegter Miene zu. Als ich mich endlich meinem Essen zuwende, ist es nur noch lauwarm, aber mir ist der Appetit ohnehin längst vergangen.
    »Na schön«, sage ich. »So viel zu meinem Leben.« Simon starrt auf seinen Teller. Er hat Wimpern wie ein Mädchen und dunkle Augenschatten. An seiner Schläfe pulsiert eine Ader. Kein einziges graues Haar unter den braunen, soweit ich sehen kann. Ich möchte meinen Finger auf die Stelle an der Schläfe legen, ganz kurz nur, und dann möchte ich endlich verschwinden. Mein Geschwätz hängt wie eine Wolke Feinstaub zwischen uns.
    Es ist kurz vor sieben. Wenn unterwegs alles gut läuft, könnte ich um zehn zu Hause sein. Verletzungs-Double, du lieber Gott, ging es nicht noch ein bisschen schriller? Simon hat meinen Blick zur Uhr richtig gedeutet und winkt nach der Rechnung. Wir schweigen, bis der Kellner endlich zum Kassieren kommt. Simon sieht müde aus.
    »Ich fahr dich noch zu deinem Hotel«, sage ich.
    »Nein, lass«, sagt Simon. »Ich hab vorhin nachgeschaut. Es ist gar nicht weit von hier. Ich laufe.«
    »Aber deine Sachen sind noch in meinem Auto.«
    »Dann holen wir sie doch jetzt.« Er steht auf und hilft mir in die Jacke, ganz Gentleman. »Du musst morgen sicher früh raus, was?«
    Ich murmele etwas, das »freier Tag« heißen könnte oder auch »keiner da«, und Simon fragt nicht nach, obwohl er es unmöglich verstanden haben kann. Ich muss wahnsinnig geworden sein. Ich schäme mich so. Ich denke an mein tolles neues Schreibheft von heute Nachmittag, es ist voller idiotischer, fehlerhafter Sätze und hat Eselsohren und Fettflecken, ich möchte die Seiten herausreißen, eine nach der anderen, von hinten nach vorne, bis ich wieder dort angelangt bin, wo es noch ganz still ist. Und dann möchte ich ein neues Heft, bitte.
    Die Heckklappe meines Wagens quietscht, als ich sie hochziehe. Simon nimmt seinen Koffer heraus und dreht sich zu mir um.
    »Also dann.«
    »Ich komme noch ein Stück mit.« Für den Fall, dass er wieder »nein, lass« sagt, warte ich seine Antwort nicht ab, sondern gehe einfach los, und es scheint die richtige Richtung gewesen zu sein, denn Simon kommt nach kurzem Zögern hinterher. Wir schweigen. Außer uns sind nur noch wenige Menschen unterwegs. Ein Novembersonntagabend in einer deutschen Kleinstadt, ich wünschte, ich hätte nicht so viele von ihnen erlebt. Die Räder von Simons Koffer rumpeln über die Pflasterritzen des Bürgersteigs und machen einen Höllenlärm. Wir biegen in eine Seitenstraße ein und gehen mitten auf der Fahrbahn, da ist es nicht so laut.
    »Mila«, sagt Simon, »ich muss vorhin in irgendein riesiges Fettnäpfchen bei dir getreten sein. Es tut mir leid. Das wollte ich nicht.«
    Aus der Eingangstür einer kleinen Eckkneipe direkt neben uns kommt ein Mann, lehnt sich gegen die Hauswand und zieht ein Päckchen Zigaretten aus der Jackentasche. Sein Feuerzeug leuchtet kurz auf, und im selben Moment weiß ich wieder, dass Simon derjenige war, mit dem ich am Freitagabend beim Geschirrspülen zusammengestoßen bin und dem ich mein regelwidriges Alles-okay-Lächeln geschenkt habe. Meine Güte, wie lange ist das her.
    »Aber warum du mir diesen ganzen Unsinn über dein Leben erzählt hast, ist mir ein völliges Rätsel.«
    Jetzt taucht die Fassade eines Hotels vor uns auf, klassizistischer Altbau, edel, ein bisschen heruntergekommen. Simon hat eine gute Wahl getroffen. Wir halten kurz inne und sehen uns an, und dann, ohne ein Wort zu sagen, drehen wir wieder um. Simons Koffer rattert über den Asphalt. Wir ziehen am Raucher vorbei, der uns neugierig hinterherschaut.
    »Meine Mutter war aus Polen«, sage ich, als wir fast schon wieder die Hauptstraße erreicht haben, und Simon nickt, als würde das alles erklären.
    »Von diesem Meditationscamp haben sie vorhin im Speisesaal geredet. Vielleicht mache ich so was ja wirklich mal. Es klang interessant.«
    »Und Martina Gedecks Ellbogen?«
    »Der war gut, oder?«
    Simon bleibt stehen. »Ich hätte dir wahrscheinlich alles geglaubt, wenn du nicht gleich am Anfang behauptet

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