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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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hättest, du wärest Yogalehrerin.«
    »Ich bin sehr gelenkig.«
    »Aber wenn du das Wort Yoga aussprichst, machst du jedes Mal ein Gesicht, als hättest du gerade Hundescheiße unter deinem Schuh entdeckt.«
    »Yoga«, sage ich probeweise.
    »Exakt so«, sagt Simon, und wir machen wieder kehrt in Richtung Hotel.
    »Mila«, sagt Simon. »Mila 18. Kennst du das?«
    »Nein.«
    »Das ist der Titel eines Romans. Er stand bei meinen Eltern im Regal. Mit sechzehn oder siebzehn habe ich alle ihre Bücher nach Stellen durchsucht, in denen Sex vorkam. Die Ausbeute war nicht besonders groß, aber bei diesem Buch war ich mir sicher, dass es ein Volltreffer sein würde. Mila 18, das klang nach den erotischen Abenteuern einer jungen, aufregenden Mila, die gerade volljährig geworden war.«
    »Und wie war das Buch?«
    »Großartig. Allerdings war es ein Roman über den Aufstand der Juden im Warschauer Getto. ›Mila‹ stand für Milastraße, in Nummer 18 war das Hauptquartier der jüdischen Kampforganisation. Ich habe meinen Eltern das Buch geklaut. Ich liebe es immer noch.«
    »Und jetzt befürchtest du, es könnte sich alles wiederholen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Dass Mila 39 kein erotisches Abenteuer ist, sondern die Zentrale einer Kampftruppe.«
    »Ich hatte eigentlich weder an das eine noch an das andere gedacht.«
    »Jetzt bist du es aber, der lügt«, sage ich.
    Der Mann vor der Kneipe raucht nicht mehr, aber er steht noch da, als hätte er auf unsere Rückkehr gewartet. Ich nicke ihm freundlich zu, immerhin sehen wir uns schon zum dritten Mal. Er nickt irritiert zurück. Das Hotel kommt wieder in Sicht. Ein Taxi mit ausgeschaltetem Dachschild verlässt die Einfahrt und hält direkt auf uns zu, wir müssen zur Seite ausweichen und tun so, als wäre der letzte Satz nie ausgesprochen worden.
    »Ich muss jetzt wirklich los«, sage ich.
    »Dann bring ich dich noch zu deinem Auto.«
    »Quatsch. Sieh lieber zu, dass du deinen Koffer endlich loswirst.«
    »Was hast du gegen meinen Koffer?«
    »Er macht Geräusche. Du musst ihn ständig hinter dir herziehen wie ein Holztier auf Rädern. Du hast nur eine Hand frei.«
    »Sie mag dich nicht«, sagt Simon zum Koffer. »Und im Grunde hat sie recht.« Er überlegt einen Augenblick. »Gib mir noch ein paar Minuten. Ich lass das Ding an der Rezeption stehen, und dann komme ich wieder und bring dich zum Auto. Ohne Anhang. Versprochen.« Er rennt los, sodass der Koffer ins Schlingern gerät, und er hört nicht mehr, wie ich ihm »Aber das ist doch völlig bescheuert« hinterherrufe, allerdings rufe ich es nicht besonders laut. Ich schaue auch nicht auf seinen Hintern. Ich schaue erst auf meine Armbanduhr, dann auf den Boden, und dann denke ich, ich hätte doch lieber auf Simons Hintern schauen sollen, solange noch Gelegenheit dazu war.
    Von dort aus, wo ich stehe, habe ich den Eingang der Kneipe im Blick, und umgekehrt verhält es sich genauso: Der Mann vor der Tür sieht mich am Straßenrand warten, und unsere Geschichte scheint ihn mittlerweile so sehr zu fesseln, dass er sich eine weitere Zigarette angesteckt hat, um die Fortsetzung mitzukriegen. Ich überlege, ob ich zu ihm gehen sollte und eine von ihm schnorren und ihm erzählen, ich sei Yogalehrerin, und seine Reaktion testen, wenn ich das Wort ausspreche, aber da höre ich schon, wie Simon sich von hinten nähert. Ich drehe mich zu ihm um, er ist ein bisschen außer Atem und sieht noch etwas besser aus, als ich ihn in Erinnerung hatte, und das lässt mich nervöser werden, als mir lieb ist.
    »Mila«, sagt er, mehr nicht, es ist schon wieder eine dieser Sonnenuntergangssituationen, die mich so verlegen machen, und dieses Mal muss ich etwas dagegenhalten, also sage ich zu ihm, er würde meinen Namen immer wie ein Dessert aussprechen, Mila, Vanilla.
    »Stört dich das?«, fragt Simon, und ich schüttle den Kopf und sage Nein, eigentlich gefiele es mir sogar.
    Er nimmt meinen Arm, als wolle er beweisen, dass er jetzt tatsächlich ohne Koffer ist und beide Hände frei hat, und macht dann den nächsten Versuch, einen Satz zu formulieren, der jetzt mit »ganz ehrlich gesagt, Mila« beginnt und wieder nirgendwo hinführt. Ich habe keine Ahnung, was Simon mir ganz ehrlich sagen will, ich fürchte mich vor einer abschließenden Analyse dieses misslungenen Abends, ich fürchte mich davor, Fragen nach meinem Leben beantworten zu müssen, und ich fürchte mich sogar vor dem, was ich jetzt am allerliebsten hören würde. Simon schweigt

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