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Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition)

Titel: Die einen sagen Liebe, die anderen sagen nichts: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susann Pásztor
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und eile mit meinem Waschzeug ins Gemeinschaftsbad. Dampfschwaden wabern mir entgegen, als ich die Tür öffne, es sieht aus wie in einem türkischen Hamam, zumal ich wetten könnte, dass sich gerade sämtliche Frauen aus dem Kurs in diesem Raum aufhalten. Allein das Schwatzen und Kichern fehlt, unvorstellbar eigentlich und deshalb sehr gespenstisch. Angesichts der Warteschlange belasse ich es beim Zähneputzen und verlege das Duschen auf die Frühstückspause, was sich als gute Idee erweist, denn ich habe mein Handtuch im Zimmer vergessen. Auf dem Rückweg komme ich am Bad der Männer vorbei. Ich kann mir nicht verkneifen, einen Blick durch die halb offene Tür hineinzuwerfen: gähnende Leere, natürlich. Entweder sind alle schon fertig, oder keiner war da.
    In den Gruppenraum einzutreten heißt, wieder in die Nacht zurückzukehren. Nur ein einziges kleines Kerzenlicht brennt vorn an Geralds Platz. Es ist sehr kühl im Raum, und die wenigen Leute, die schon vor mir eingetroffen sind, haben sich bis zur Nasenspitze vermummt. Diesmal will ich mir auch ein Nest bauen. Ich schiebe zusammengerollte Socken als Extrapolster unter meine Knie und wickle mich sorgfältig in zwei Wolldecken ein. Mein Rücken hat bisher alles brav mitgemacht, aber mir ist bewusst, dass der gestrige Tag bestenfalls ein Vorspiel war. Trotzdem bin ich sehr zuversichtlich. Ich sitze fest und aufrecht und fühle mich wie ein unbeschriebenes Blatt. Das wird mein Tag. Immer mehr Gestalten schlüpfen leise durch die Tür und gehen zu ihren Plätzen, und mich erfasst ein sentimentales Gefühl von Verbundenheit: Wir haben unsere warmen Betten freiwillig gegen ein Meditationskissen eingetauscht, um diese stille, morgendliche Dunkelheit miteinander zu teilen. Als Gerald seine Klangschale in die Hand nimmt und die Meditation einläutet, versuche ich nicht, den Ton festzuhalten, sondern bin neugierig auf alles, was danach kommen mag.
    Fünfundvierzig Minuten später weiß ich, dass mein Sitzkonzept dringend überarbeitet werden muss, aber das erscheint mir im Glanze meiner neu erworbenen heiteren Gelassenheit als unwichtiger Nebenschauplatz. Ich habe in der letzten Dreiviertelstunde so etwas wie eine Ahnung von der friedlichen Leere bekommen, die einem geschenkt wird, wenn den Gedanken die Worte fehlen. Euphorisch fädle ich mich in den Strom der vorbeischleichenden Meditierer ein und setze meinen Erfolgskurs fort, indem ich mit vorbildlicher Langsamkeit meine Schritte bemesse, meine Füße abrolle, meinen Blick weite. Am Ende der fünfzehn Gehminuten habe ich mir insgesamt dreimal ausführlich darüber Bericht erstattet, was für großartige Fortschritte ich beim Meditieren gemacht habe. Es muss in meiner Natur liegen. Voller Begeisterung lasse ich mich wieder auf meinem Meditationskissen nieder und bin längst eins mit meinem Atem, als noch die letzten Rückkehrer aus der Pinkelpause ihre Decken um sich festzurren. Meine Versunkenheit hält mich allerdings nicht davon ab, zu registrieren, dass Miss Marple ihren Hochsitz zu meiner Linken nicht wieder eingenommen hat. Etwa fünfzig Atemzüge später beginne ich mir Sorgen zu machen. Ich stelle mir vor, wie sie am Waschbecken einen Schwächeanfall erleidet, sehe sie hilflos auf dem Boden liegen und höre sie mit gebrochener Stimme um Hilfe rufen. (Gestern hatte sie noch einen sonoren Alt, fällt mir ein.) Also lasse ich sie gleich das Bewusstsein verlieren, das ist leichter als die Vorstellung, sie könnte den ganzen Laden hier zusammenbrüllen. Und was mache ich jetzt? Ich kann nicht einfach aufstehen und sie suchen gehen, auch wenn Buddha meine Absicht bestimmt gutheißen würde. An dieser Stelle schaltet sich mein halb erleuchtetes Selbst ein und mahnt zur Ruhe, und ich fahre fort, meinen Atem zu beobachten, bestürzt von meinem plötzlichen Rückfall in die innere Geschwätzigkeit. Eine Weile geht das gut, dann bemerke ich, dass in mir gerade eine Ethikkommission tagt. Natürlich ist Miss Marple nicht irgendwo zusammengebrochen, sondern hat sich einfach wieder in ihr Bett gelegt und wartet dort entspannt aufs Frühstück. Na so was. Hat hier schon einen bequemen Lehnstuhl stehen und lässt trotzdem eine Runde ausfallen. Moment, die Dame ist weit über sechzig. Wenn es ihr zu viel wird, ist es wohl ihr gutes Recht, mal auszusetzen. Und wieso bucht sie dann so einen Wochenendmarathon? Ist doch selbstverständlich, dass man hier nicht nach Belieben aufkreuzen und dann wieder wegbleiben kann. Einerseits.

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