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Die eingeborene Tochter

Die eingeborene Tochter

Titel: Die eingeborene Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Morrow
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Weib hatte etwas ›Linkes‹: links war sie, wahnsinnig, bösartig, schlecht.
    »Sag mir deinen Namen!« befahl Billy.
    Zähneklappernd, die Mundwinkel verächtlich nach unten gezogen, kam das einhändige Weib auf ihn zu. »Julie Katz. Und Sie sind Reverend Milk.«
    Seltsam: Das Wasser machte ihr nichts aus. Der heilige Fluß würde den Antichrist doch verbrühen, ihm das Fleisch von den Knochen kochen.
    »Einige nennen dich Sheila of the Moon«, stellte Billy fest.
    »Mein Pseudonym.«
    Seltsam: So gründlich Billy ihr Skelett auch überprüfte, konnte sein Phantomauge doch keine Heuschrecken finden, die etwa über ihre Rippen krochen, keine Skorpione in ihrem Herzen.
    Er legte die ganze Kraft des göttlichen Willens in sein linkes Auge, ließ die Gefäße anschwellen und hielt dem furchtbaren Blick des Weibes stand. »Weißt du, warum du verhaftet wurdest?«
    »Schwer zu sagen. Es gibt Dinge, die irgendwie unausweichlich sind, glauben Sie nicht? Jesus hat versucht, mich zu warnen.«
    »Christus spricht zu dir?«
    »Manchmal. Ja. Wie der Bruder zur Schwester.«
    Billy schnappte nach Luft. »Du glaubst, du bist die Schwester des Herrn Jesus?«
    »Ich glaube es, weil es wahr ist. Das ist jetzt wohl Gotteslästerung?«
    »Das ist was viel Schlimmeres, Sheila of the Moon!« Das Interview machte Billy keinen Spaß. Zum erstenmal seit Jahren spürte er ein Prickeln in seinem Phantomauge, ein Jucken dort, wo er nicht kratzen konnte. »Das ist…«
    Ein Zeichen! Ein unmißverständliches, klares Zeichen! Wie einst der Heilige Geist in Gestalt einer Taube bei der Taufe des Heilands zugegen gewesen war, glitt nun eine New Jersey-Seemöwe herbei; mit sicherem Kurs, bestimmtem Ziel. Billys Phantomauge wurde heiß, eine geschmolzene, kochende Murmel in seinem Kopf. Wie klar Gott doch spricht, dachte er, als die Möwe einen großen, schwarz-weißen Haufen fallen ließ. Wie verständlich ist doch die Sprache des Himmels!
    Das Zeichen klatschte dem Weib auf die Augenbraue und lief über die Wange hinab. »Verdammt!« sagte sie und wischte sich mit dem Handschuh ab.
    »Ihr Kinder des Lamms – sehet nur!« wandte sich Billy an den Baum des Lebens. »Das Königreich des Antichrist endet! Der Frühling kommt nach New Jerusalem und mit ihm unser Erlöser!«
    Nur: Die Wasser hatten sie nicht verbrannt. Und er hatte keine Heuschrecken auf ihren Gebeinen gesehen. Donnernder Beifall erschütterte den Baum des Lebens so stark, daß ein Dutzend goldene Äpfel in den Fluß fielen.
    Gott sei gedankt für die Gerichtshöfe, dachte Billy, Gott sei gedankt für die Inquisition. Die studierten Richter würden das Rätsel ein für allemal lösen. Sheila of the Moon: einer läßlichen oder einer Todsünde schuldig, bloße Atheistin oder der Antichrist, bloß eine Jüdin, die schmutzige Reden führte, oder die ewige Geißel Gottes?
    Bei diesem Prozeß würde sein Sohn nicht fehlen, schwor sich Billy.
     
    Satan ist seekrank. Über die Steuerbordreling der Pain gelehnt, kotzt er in den wäßrigen Grenzbereich, wo die Dirac-Straßen in den Pazifischen Ozean münden.
    Die Kotze kommt in einer großen Flut wie aus einem Füllhorn flüssigen Reichtums. Andrew Wyvern erbricht zunächst die acht Tonnen Sojabohnen, die er geraubt und verschlungen hat, ehe sie die 1997er Hungersnot im Sudan lindern konnten. Dann gibt er die flüssige Form tiefgefrorener Plasmakonserven von sich, die er den Blutern in Kanada weggenommen hatte. Nun speit er tausend Ampullen Interferon aus, ursprünglich für eine Krebsklinik in Peking bestimmt. Und er kotzt einen ganzen Berg Nickels und Dimes – kalifornische Schulkinder hatten sie zu Halloween für die UNICEF gesammelt.
    Anthrax begutachtet den Archipel aus Kotze. »Was ist mit Ihnen?« fragt er.
    »Katz«, murmelt Wyvern. All die Wohltätigkeit brennt jetzt im Mund. Welche unheimliche Nabelschnur fesselt ihn bloß an seine Feindin, was für ein höllischer Faden? Dieses Weib mit ihren schmierigen Zeilen, Laßt den unter euch, der ohne Sünde ist…, die anmaßenden Schritte, die sie unternahm: die Freischärler an der Bay mit ein paar Kieseln in Schach zu halten, zuerst die Kotze, dann das Dynamit ihrer Freundin in der Hand zu halten, heiße Suppe zu verteilen. Katz mit ihrer Corning-Isolierung.
    »Was ist mit ihr?«
    »Die Hure ist wieder am Werk.«
    »Aber sie ist verhaftet worden.« Anthrax’ Worte kamen zwar von einer leprösen Zunge hinter verfaulten Zähnen hervor, klangen dennoch tröstlich.
    »Milk wird sie in den

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