Die eingeborene Tochter
sie, verdammt noch mal, in Ordnung!«
»Du glaubst wahrscheinlich, es ist einfach für mich, ›nein‹ zu sagen? Ich liebe Phoebe, Herrgott, aber wir müssen an höhere Werte denken!«
»Was für höhere Werte? Phoebe bringt sich doch um!«
»Wenn du nicht verstehst, was ich meine, Georgina, hat dieses Gespräch keinen Zweck.«
»Nicht einmal du selber verstehst, was du sagst, du Scheißkopf!«
»Also, Schimpfworte sind erst recht nicht nötig.«
»Scheißkopf! Arschloch! Scheißhaufen!«
Julie fuhr mit der Spachtel übers Backblech, häufte die halbgaren Armen Ritter drauf und schleuderte sie wie mit einem Katapult quer durch die Küche. »Ich habe Feinde, Georgina! Sie sind hinter mir her!« Sie ging vom Herd weg. »Iß das Zeug selber – mir ist der Appetit vergangen!«
»Mir auch, du kleine Schlange, das bist du nämlich, Julie Katz: eine schleimige, selbstsüchtige Schlange!«
Julies Kiemen keuchten vor Enttäuschung, Georginas Ausbruch dröhnte ihr in den Ohren. Sie rannte aus der Küche, hetzte über die Mole und tauchte in die sanfte, alles verstehende Bucht.
»Tut mir leid«, sagte Bix. Sein Gesicht erinnerte an einen Meteor – steinern, aschgrau, kalt.
»Es tut dir leid?« Und weiter? Er ließ sie einfach fallen wie eine kleine vorlaute Philosophiestudentin aus Princeton?
»Wir haben 20.000 Leser verscheucht, und damit hat sich’s. Tony will jetzt eine Kuscheltier-Kolumne. Mike Alonzo wird sie schreiben.«
»Kuscheltiere? Das ist doch nicht dein Ernst!« Eine Träne löste sich aus Julies rechtem Auge. Sie schneuzte sich in die zerknitterte ›Gluttony Forgiven‹-Serviette. »Du hättest für mich kämpfen müssen. Kuscheltiere!«
»Ich hab für dich gekämpft.«
»Ja, wahrscheinlich!«
»Ich hab gekämpft!«
Damit war es aus. Der Bund der Unbestimmtheit hatte sich in Fischverpackungen und Hamsterstreu verwandelt; und ihr blieb nichts als Gefühle von Verwirrung und Schuld, Georginas ungerechter Zorn und Gottes boshafte Gleichgültigkeit. »Sei ehrlich, Bix, du hast nie an mein Amt geglaubt.« Sie spürte die Träne auf der Lippe und leckte sie auf. Batteriesäure. »Du hast dich um mich gekümmert? Heuchelei. Du warst bloß scharf auf mich.«
Bix zerdrückte ein Brötchen in der Faust. Die Krümel spritzten zwischen den Fingern heraus. »Verdammt, Julie, seit du in mein Büro gekommen bist, hab ich fast nichts anderes getan, als dich zu decken. Der ganze Stab hält dich für verrückt, weißt du.«
»Und du? Hältst du mich auch für verrückt?«
»Manchmal. Ja. Dieser ganze ›Gottes Tochter‹-Nimbus – warum treibst du das so weit? Mir brauchst du nichts vorzuheucheln. Ich bin keiner von deinen dämlichen Lesern.«
»Ich heuchle dir gar nichts vor!«
»Beweis mir, daß du Gottes Tochter bist! Ich stell keine hohen Ansprüche – mach die Warze an meinem Hintern weg, oder fliege, mach irgendwas!«
»Keine Beweise, Herzchen. Nicht für Verräter.«
Bix zerkrümelte noch ein Brötchen. »Kleine Betrügerin.«
Ein einziges Wort, ›Betrügerin‹, mehr brauchte es nicht. Julie sprang auf, hetzte aus dem Restaurant die Stiegen hinunter ins Casino. Verräter, Verräter. Ich hab für dich gekämpft: Oh, sicher, Bix. Sicher. Verräterischer Bastard!
Welten ohne Uhren, diese Casinos. Im ›Dante’s‹, ›Caesar’s‹, oder im ›Nugget‹ schien es immer gleich spät zu sein. Und immer der gleiche Tag – Sonntagnachmittag, halb vier, dachte Julie.
Ihr Amt war wichtig. Warum konnte Tony Biacco das nicht einsehen? ›Der Himmel hilft‹ hatte Dutzende von Selbstmorden und Scheidungen vereitelt, Dutzende Mißhandlungen von Frauen und Kindern. Erst letzte Woche hatte ihr ein zwanghafter Spieler geschrieben, er habe nun das Blackjack endgültig aufgegeben.
Blackjack war ein schönes Spiel, überlegte Julie und schob sich durch die Menge auf einen abgelegenen, verwaisten Spieltisch zu. Sie ließ die Sonnenbrille auf – der Geber könnte Sheila-Fan sein – und wechselte hundert Dollar in Chips. Wenigstens mußte sie sich von nun an nicht mehr verkleiden; Sheilas Bild würde bald aus dem öffentlichen Bewußtsein verschwinden. Die Geberin war eine finster blickende, schmächtige Frau. Sie handhabte die Karten mit der professionellen Langeweile einer Hure, wenn sie den Reißverschluß am Hosenstall eines Freiers öffnet. Nervös spähte sie in Richtung ›Rad des Reichtums‹. Als ob sie überwacht, getestet würde.
Ach, süßer Mammon! Das Glück war mit Julie (oder Gott),
Weitere Kostenlose Bücher