Die eingeborene Tochter
Fotos. Die Idee ist die, daß jeder, der eine Postkarte schickt, von Sheila ein Bild mit Autogramm bekommt. Tony meint, wir können dafür den Kopierer nehmen.«
»Warum tun Sie mir das an? Glauben Sie, ich wünsch mir einen Haufen Blödmänner und Fanatiker, die sich zu Hause mein Foto an die Wände hängen? Darauf kann ich verzichten.«
»Dickkopf.«
»Was sagen Sie da?«
»Ich sagte Dickkopf! Ich sagte sture Idiotin!«
Langsam und schweigend tunkte Julie die Serviette ins Wasserglas und begann die Sonnenbrille zu putzen. »Haben Sie vor, mich zu feuern?«
»Sollt ich tun! Sollt ich wirklich tun!« Bix bot den qualvollen Anblick eines Bier trinkenden Babys. »Vielleicht haben Sie es bemerkt: das Problem ist, daß ich mich in Sie verliebt habe.«
»Bezweifle ich.«
»Ich bin verliebt in Sie.«
Offensichtlich war Tante Georgina schon als Teenager mager gewesen; das Abschlußballkostüm schnürte sie ein wie ein Korsett. Verliebt. Er liebte sie nicht, er war verliebt .Entwaffnende Vorsilbe, Bekenntnis und Falle in einem. Ohne genau zu wissen, warum, warf sie ihm ein Küßchen zu. Er lächelte sanft. Knollennase, dachte sie, die Augen zu weit auseinander, und eher dunkelhäutig war er auch; zerklüftetes altes Haus, verwittert in den Heucheleien der Welt. »Liebes Walroß«, flüsterte sie. Howard Lieberman hatte nie von Liebe gesprochen. Roger Worth hatte das Wort nur als Schlüssel zu ihrer Möse benutzt. Aber Bix, Herzblatt Bix, schien es ernst zu meinen. »Ich bin berührt. Wirklich berührt.« Sie schickte ihm einen zweiten Kuß.
»Liebe ist natürlich ein etwas unsicheres Phänomen.«
»Dachte schon, daß du sowas sagen würdest.«
»Ein Rätsel.«
»Sicher. Das stimmt.«
»Unbestimmt.«
»Hör auf damit, Julie.«
»Unbeständig.«
»Hier ist Ihre Suppe.«
Nach dem Essen bummelten sie am Ozean entlang. »Constantine Pictures presents, Atlantic City: Metropolis im Übergang«, verkündete Bix großartig. Ein Teenager-Pärchen ging Hand in Hand vorbei. Furchtbares Gekicher. »Die einen spielen Baccarat in den Casinos, die anderen russisches Schwangerschaftsroulette unter der Strandpromenade.« Sie folgte ihm in die Ocean One Mall, wo er bald einen Ramschladen entdeckte. Er manövrierte durch die Regale, suchte schäbige Sonderangebote für seine Fotografen aus, sollten richtige Profis werden. »Archäologen graben Weltraum-Fetus aus!« rief er begeistert und zog einen Gummitotenkopf aus dem Haufen. Julie warf den Kopf zurück und lachte. »Babydecke von Jesus?« Bix schwenkte einen weißen Seidenschal. »Zehn Top-Bischöfe sagen: ja!«
Sie musterte den Kugelbauch. Er stellte seine Körperfülle mit seltener Offenheit zur Schau, als wolle er sagen: Ja, ja, an der Stelle gibt’s zuviel von mir, aber so bin ich halt, akzeptier es, oder…
Akzeptier es. »Und ich liebe dich«, sagte sie.
»Hmm?«
Sie liebte ihn? Sie liebte ihn. O ja, Gottheit der Physik, unsere Mutter, der du bist im Dirac’schen Ozean, sie liebte ihn. »Du hast es gehört.«
»Kein Scheiß?«
Von da an konnte man ihre Beziehung als eine Art Aufwärtsbewegung durch das ›Dante’s‹ beschreiben.
Das Geschoß oberhalb des ›Gluttony Forgiven‹ war ein kleines, intimes, sündhaft teures Restaurant und hieß: ›Jedem das Seine‹. Jeden Samstagabend, den ganzen Frühling über: überteuerte Spaghetti und Black Jack. Noch weiter oben gab es mehrere Stockwerke schöner Hotel-Suiten – Champagner-Automaten, mitten im Raum versenkte Badewannen –, Anfang Juli waren sie da schon Stammgäste, arbeiteten sich Woche für Woche durch die Hotelbetten. Bix’ sexuelle Attraktivität war eines der großen Geheimnisse der Biologie, wie etwa das Verschwinden von Warzen durch Hypnose oder die Anwesenheit voll ausgeformter Spirochäten auf Schleimpilzen. Dabei hatte er eher dürftige sexuelle Fähigkeiten, kein Interesse für Wissenschaft und brauchte am Strand an einem einzigen Nachmittag eine volle Flasche Sonnenöl.
Er machte sie glücklich. Vielleicht eine Spielart der allgemeinen Relativität; die schiere Körpermasse zwang alles in seiner Umgebung in seinen Bann. Seine Anziehungskraft auf Julie beruhte eher darauf, daß er sie einfach akzeptierte. Howard hatte von ihr verlangt, seine Weltanschauung zu übernehmen, und Roger hatte sie verehrt wie eine Gottheit. Daß Bix je so etwas tun würde, konnte sich Julie nicht einmal vorstellen. Sie fühlte sich bei ihm sicher. Mit jedem Tag fand sie den dunklen Teint attraktiver, den
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