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Die Eingeschworenen Raubzug

Die Eingeschworenen Raubzug

Titel: Die Eingeschworenen Raubzug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Low Robert
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plötzlich verrücktzuspielen schien. Die Leiter war umgefallen.
    Nein, nicht die Leiter. Der ganze Turm fiel. Während ich so schnell wie möglich auf allen vieren versuchte, aus dem Weg zu kriechen und dabei meinen Schild verlor, kippte der ganze Belagerungsturm wie ein gefällter Baum. Die obere Hälfte brannte lichterloh. Man hatte ihn von oben mit Haken zu fassen bekommen und seitwärts gezogen.
    Er fiel mit lautem Krachen und einer riesigen Staubund Rauchwolke. Brennende Trümmer flogen umher, es war wie das Ende der Welt.
    Ich fand meinen Schild wieder, rappelte mich auf und stolperte zurück, ich stieg über Leichen, die man kaum sah, mein Stiefel verfing sich an einem Toten und ich fiel auf einen anderen und blieb keuchend und erschöpft liegen. Ich stemmte mich wieder hoch, meine Hand war klebrig und ich hörte Stahlklingen aufeinanderschlagen.
    Das ergab doch alles keinen Sinn. Stürmten sie wieder vor? Ich erhob mich auf ein Knie, sah mir den Toten an und erschrak. Steinkel. Mein Vetter, den ich zuletzt gesehen hatte, wie er protestierend aus Martins Stube gezerrt worden war.
    Jetzt lag er auf dem Rücken, die glasigen Augen voll
Staub. Zwischen den kaputten Ringen seines teuren Kettenhemds quollen seine Eingeweide hervor. Ein unheilvolles, schwer zu beschreibendes Gefühl stieg in mir auf. Steinkel und Björn. Gudleifs Söhne waren hier.
    Dann hörte ich wieder das Schwerterklirren, dann triumphierendes Gebrüll, und zum ersten Mal nahm ich Gestalten wahr, ganz in meiner Nähe, doch auch sie waren nur Umrisse im gelben Nebel. Einer der Kämpfenden brach zusammen, der andere hieb wie wild auf ihn ein, wobei jeder Hieb von einem lauten Grunzen begleitet wurde.
    Ich stand auf und ging näher. Mein Kopf schwamm, aber was ich sah, füllte mich mit Entsetzen – ich sah, dass das Unheilvolle, Unbekannte, vor dem ich mich gefürchtet hatte, eingetreten war.
    Björn hatte meinen Vater bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet. Jetzt stand er da, der Mund schlaff, doch die Augen wild. Er erkannte mich. »Du!«, stieß er atemlos hervor. »Jetzt ist das erledigt.«
    Mein Vater. Ich wollte diesen Wahnsinnigen zur Seite stoßen und diesem blutig geschlagenen Körper zu Hilfe eilen, der mein Vater war.
    Aber Björn wich nicht von ihm, er stand da mit erhobenem Schwert, an dessen Klinge das Blut dick herablief. Das Blut meines Vaters. Björn hatte noch immer sein junges, rundliches Kindergesicht, aber sein Mund war verzerrt vor Hass und Furcht.
    Ich trat im Geiste einen Schritt zurück und sah, was er jetzt sehen musste: jemand seines Alters, aber hagerer und drahtig, mit entschlossenem Gesicht und Schultern, die durch den Dienst am Ruder und vom Schwertkampf breit geworden waren, braun gebrannt von Sonne und Wind.

    Dieser Knabe war zu jung und zu weich, um als Blutpreis zu zählen, aber er und sein Bruder hatten meinen Vater umgebracht.
    Ich stürzte mich auf ihn. Ich erinnere mich an nichts mehr, nur, dass ich zum ersten Mal keine Angst hatte. Vielleicht war es das, was Storchenbein empfunden hatte, diese Verachtung für den eigenen Tod, weil man sich seiner Sache völlig sicher ist. Hier in diesem dicken gelben Staub vor der weißen Burg lernte ich den Tod verachten.
    Wie der Kampf ausging? Nun, ein guter Skalde hätte sicher ein schönes Gedicht daraus gemacht. Ich weiß nur noch, als ich wieder im Hier und Jetzt angekommen war, lag Björn auf dem Rücken, mit blutigem Schädel und einem fast abgetrennten Fuß.
    Ich sah, dass mein Unterarm blutete, mein Schild völlig zerschlagen war und dass ich an meiner linken Hand die beiden letzten Finger verloren hatte.
    Mein Vater lebte noch, als ich neben ihm kniete, aber sein Lebensfunke war nur noch schwach. Ich konnte nichts für ihn tun, ich hatte nicht einmal Wasser, geschweige denn Verbände, Salben. Ratlos hob ich die Hände. Ich konnte nur noch mein Blut, meinen Rotz und meine Tränen auf ihn tropfen lassen, und ich habe nie vergessen, wie nutzlos ich mir vorkam.
    Er versuchte mich anzugrinsen, seine Zähne waren rot verfärbt. »Sind sie tot?«
    Ich nickte stumm, meine Hände zitterten.
    »Gut. Arschlöcher – hätte wissen sollen, dass sie keine Ruhe geben würden. Hab einen erledigt – Steinkel, den kleinen Idioten. Keine Ahnung mit dem Schwert. Hätten beide zu Hause bleiben sollen. Dieser verfluchte Christenpriester …«

    Er wollte ausspucken, aber hatte keine Kraft mehr dazu. In seinen Mundwinkeln war blutiger Schaum und er gurgelte beim Sprechen. Er sah mich

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