Die Eingeschworenen Raubzug
gut fest.«
Die Schilde wurden herausgenommen, ihre Buckel in der Mitte herausgeschlagen und diese zusammen mit den Nieten sorgfältig in Beuteln verstaut. Die Riemen wurden ausgelegt, was mich sehr überraschte, denn ich wusste, es wäre Wahnsinn, wenn man bei diesem Seegang versuchen würde zu rudern. Aber vielleicht wollten sie ja das Schiff in Richtung auf ein unbekanntes Land zusteuern, das mein Vater mit seinen geheimen Kräften entdeckt hatte. Doch jetzt wurden die Schilde mit dem Loch, das der Buckel hinterlassen hatte, so über die Riemen geschoben, dass die Ruderblätter flach über dem Wasser lagen. Dann wurden die Schilde fest an der Innenseite der Bordwand befestigt, sodass die Riemen fixiert waren. Ich hatte so etwas noch nie vorher gesehen oder davon gehört und auch einige von den anderen Männern staunten. Aber diejenigen, die Bescheid wussten, machten ernste Gesichter. Die Riemen lagen anscheinend nutzlos über der Wasseroberfläche, wie die Beine eines Käfers auf dem Rücken.
»Segel setzen!«, brüllte Rurik.
Nein – das war doch sicher ein Irrtum? Bei diesem Wind und bei diesem Seegang? Wir würden eine solch irre Geschwindigkeit bekommen, dass wir uns überschlagen und Bug voran in den Wellen verschwinden würden. Ich hatte von solchen Fällen gehört. Das Schiff hatte schließlich keinen Kiel, den man für eine solche Fahrt …
Aber die Mannschaft ging ans Werk, die Rah wurde von den Ständern gehoben und das große Segel, das trotz
Wollfett und Seehundtran klitschnass war, flatterte wild, dann spannte und wölbte es sich wie der Bauch eines Pferdes, das zu viel frisches Gras gefressen hat. Und dann machte die Elk einen Satz wie eine biedere Hausfrau, der man in den Hintern gekniffen hat.
Diejenigen, die nicht darauf vorbereitet waren, hielten vor Schreck den Atem an, einige schrien laut, aber die Elk schüttelte sich nur und flog davon, wobei die ausgelegten Riemen die stabilisierende Funktion des tiefen Kiels übernahmen, den sie nicht hatte.
Mein Vater trat zu mir, sah zum Segel hinauf, dann nach hinten zum Steuerruder, wo Skapti stand, der es sich fest unter die Achselhöhle geklemmt hatte und sich mit seinem ganzen Gewicht dagegen lehnte, während drei andere bereitstanden, für den Fall, dass er den Kurs ändern müsste.
»Könnte er gar nicht«, lachte mein Vater. »Wir sind schnell, verdammt schnell – schneller als alle anderen. Die Langschiffe würden sich unter vollem Segel in dieser See überschlagen und sie sind auch zu groß, um diesen Trick anzuwenden – wir sind um die Hälfte schneller als sie, weil wir mit jedem Wellental mehr Fahrt aufnehmen.«
Das war richtig und die Männer hielten sich fest, als ob sie erwarteten, wirklich davonzufliegen. Die Elk glitt auf einer Seite der Welle hoch und stürzte pfeilschnell auf der anderen Seite ins Wellental, wobei die Riemen die Wasseroberfläche nur eben berührten, während der Wind in den Tauen aus Walrosshaut sang. Und wenn man sich über Bord lehnte, sah man ganz unten die verkrusteten Planken unter der Wasserlinie, die man sonst beim Segeln nie zu Gesicht bekam.
»Sieh zu, dass dein Arsch an Bord bleibt«, brüllte Valgard
und zog mich am Ohr zurück. Ich kannte keine Angst mehr. Ich war vom Rausch der Geschwindigkeit wie betrunken.
Einst, als ich noch ein Junge war, hatte ich es gewagt, Gudleifs besten und wildesten Hengst zu reiten, Austri, der nach einem der vier Zwerge benannt war, die an den Ecken des Himmels sitzen. Ohne Sattel, Zaumzeug oder Zügel hatte ich mich auf ihn geschwungen und war losgeprescht. Seine Mähne flog mir ins Gesicht und meine Augen tränten im Wind, aber ich spürte, wie er unter mir vorwärtsdrängte, spürte seine Kraft und Anmut, als wir über die Wiese donnerten.
Natürlich verrieten mich die Striemen, die seine Mähne mir ins Gesicht gepeitscht hatte. Gudleif hatte mich dafür verprügelt, doch auch unter Rotz und Tränen war ich noch wie berauscht von diesem Glücksgefühl.
Allmählich gewöhnten die Männer sich an die Geschwindigkeit und fanden sich in der neuen Lage zurecht. Valgard befahl ihnen, auf die Riemen zu achten, falls einer von ihnen zu hart aufs Wasser schlagen und zersplittern sollte.
Ich lag neben der Frau, die fieberte und vor sich hinfantasierte. Ich sah hinauf zur Wetterfahne, die den Tanz im Auf und Ab der Wogen mitmachte, und lauschte den endlos sich wiederholenden Geräuschen, vom Knarren des Masts im Mastfuß, dem Zischen des Wassers unterm Kiel bis zum
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