Die Eingeschworenen Raubzug
man war sich allgemein einig, dass Einar, auch wenn das Glück ihn verlassen hatte, noch immer ein guter Stratege war. Er hatte uns hoch über den Nebel hinausgeführt, und jeder, der sich in seinem Schutz anschleichen würde, müsste sich früher oder später auf dem kahlen Berg zeigen.
Einige waren dafür, dass wir uns aus dem Staub machten, aber Ketil und Skapti klärten sie auf: Dafür war es zu spät. Starkad hatte seinen Männern befohlen, Rurik und die anderen Überlebenden der Elk aufzuspüren. Er kam hierher und es würde eine Schlacht geben.
Während dieser Erörterungen schwieg Einar, doch er war bereit. Er trug einen dunkelblauen Umhang, zusammengehalten von einer schönen Silberfibel, die mit roten Steinen besetzt war. Er starrte den ganzen Morgen hinunter in den Nebel und strich seinen Schnauzbart, während die Männer immer wieder ihre Waffen überprüften und Schilde und Lederriemen kontrollierten.
Dann ertönte in der Ferne der schwermütige Klang eines Horns, vom Wind gespenstisch zu uns heraufgetragen.
»Das ist nicht besonders klug«, sagte Valknut. »Damit werden sie die Dorfbewohner auf sich aufmerksam machen. «
Das Horn erklang abermals, etwas näher. In diesem Moment stand Einar auf und deutete stumm auf Ketil, Skapti und Valknut – und mich. Er sah uns mit seinen tief liegenden dunklen Augen an, dann sprach er und brachte kaum die Zähne auseinander. »Skapti, sorg dafür, dass der Mönch immer bei dir bleibt. Den will Starkad am dringendsten haben. Orm, du bleibst bei der Frau. Brandolf Lambisson wird Starkad viel erzählt haben, aber er weiß wenig über diese Frau und wie wichtig sie für uns ist. Valknut, du rollst das Banner aus und trägst es.«
Er schwieg, dann wandte er sich an Ketil Krähe, dessen stets gelangweilter Blick auch jetzt keine Regung zeigte. »Wenn ich fallen sollte«, fügte er hinzu, »dann geh du mit den Eingeschworenen dorthin zurück, wo die Elk verbrannt ist. Dort liegt Starkads Schiff. Er wird Wachen beim Schiff zurückgelassen haben. Hierher wird er etwa hundert Mann führen, am Schiff hat er vermutlich etwa fünfzehn bis zwanzig. Vielleicht bietet sich die Möglichkeit, es zu kapern.«
Wieder schwieg er und lächelte gequält. »Niemand kann seinem Wyrd entkommen«, brummte er, »aber es gibt keinen Grund, warum wir den Nornen die Arbeit zu einfach machen sollten. Mögen sie also noch eine Weile spinnen.«
Er schritt davon und wir sahen ihm nach, keiner sprach. Es war das erste Mal, dass er sein mögliches Ende so offen beim Namen genannt hatte, und es war beunruhigend, man wollte lieber nicht darüber nachdenken. Wir gingen auseinander und widmeten uns wieder unseren Beschäftigungen.
Ich machte mir Sorgen um Hild. Ich konnte sie kaum an mich ketten, also würde ich bei ihr bleiben und dafür sorgen müssen, dass es ihr nicht plötzlich in den Sinn kam, davonzulaufen. Das bedeutete, dass ich nicht im Schildwall stehen konnte, und das ärgerte mich. Denn nicht nur wurde jede Klinge gebraucht, es wäre auch das erste Mal gewesen, dass ich in einem Schildwall gestanden hätte. Mit meinem Kettenhemd wäre ich in der ersten Reihe gewesen, dem Ehrenplatz – obwohl die, die dort standen, sich »die Verlorenen« nannten. Doch damit war es jetzt nichts, was mir gar nicht passte.
»Du siehst aus, als würdest du schmollen«, sagte Hild in diesem Moment, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Fehlt nur noch, dass du mit dem Fuß aufstampfst wie ein kleiner Junge.«
Mit schlechtem Gewissen sah ich sie an, dann musste ich lachen, denn sie hatte ja recht. Ich und ein Krieger der ersten Reihe! Sie setzte sich zu mir und ordnete sorgfältig die Falten meines Umhangs. Ich sah, dass sie eine Männerhose trug, die man zuletzt in Valknuts Gepäck gesehen hatte. Jetzt erst fiel mir auf, wie verändert sie war, ruhig
und hellwach. Das war nicht mehr die augenrollende Halbverrückte der letzten Tage und Wochen.
Als sie sich zu mir wandte und mir ein strahlendes Lächeln schenkte, zog sich mein Herz zusammen und mein Magen ebenfalls, denn ihre Erscheinung hatte etwas fast Übernatürliches an sich.
»Wenn es so weit ist«, sagte sie, »dann rennen wir dort lang.« Und sie zeigte nach links, wo das Gelände abfiel und von dickem Gebüsch bestanden war.
Ich hatte keine Zeit, weiter zu fragen, denn jetzt erklang das Horn dicht vor uns. Großnase und Steinthor flitzten an die Flanken der Reihe und der Schildwall ging mit Gebrüll und lautem Krachen hoch, als die
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