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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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die beiden ablenkte und das Thema wechselte.
    »Mr und Mrs Renshaw, haben Sie eigentlich noch mehr Fotos von Emma? Und zwar aus der Zeit, als sie an die Universität ging.«
    »Seit sie an der Uni ist, haben wir leider keine Gelegenheit mehr, so viele Fotos zu machen wie früher«, antwortete Sarah. »Aber ein paar haben wir noch.«
    Howard holte das Fotoalbum. »Wir können es Ihnen gern mitgeben«, sagte er, »bräuchten es am Montag aber wieder.«
    »Das geht in Ordnung.«
    Cooper schlug das Album auf und blätterte es rasch durch.
Auf einer der letzten Seiten schien er etwas Interessantes gefunden zu haben. Fry beugte sich über seine Schulter.
    »Was ist das denn?«, fragte sie. »War Ihre Tochter da auf einer Kostümparty?«
    Fry fing zu lachen an, aber das Lachen erstarb ihr im Hals, als sie Coopers Blick sah.
    »Ach, das«, meinte Sarah. »Emma ist über Neil Granger dazu gekommen. Ich weiß aber beim besten Willen nicht, was ihr daran gefallen hat.«
    »Wozu gekommen?«
    »Es gibt hier in Withens so eine Gruppe. Ich weiß nicht, worum es dabei geht, aber es scheint hier Tradition zu sein.«
    Die Emma auf dem Foto war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. An sich nichts Außergewöhnliches für ein Mädchen ihres Alters, Fry hatte selbst eine Vorliebe für Schwarz. Aber Emmas Garderobe bestand aus einem schwarzen Frack, schwarzen Leggings, einem schwarzen Zylinder und Doc-Martens-Stiefeln. Sie wirkte groß und schlank, irgendwie zu schmächtig für ihr Kostüm. Außerdem trug sie eine verspiegelte Sonnenbrille und spielte auf einer Blockflöte.
    »Und was hatte das mit Neil Granger zu tun?«
    »Er gehört zu der Gruppe. Oder besser, gehörte«, sagte Sarah. »Sie sehen, Emma spielt auch ein Instrument. Sie ist wirklich sehr talentiert.«
    »Davon bin ich überzeugt.« Cooper ließ die Seite aufgeklappt. Fry drehte das Album so, dass sie das Foto besser sehen konnte, und versuchte zu ergründen, was es darstellte.
    »Aber können Sie mir sagen, warum Emma ihr Gesicht schwarz geschminkt hat, Mrs Renshaw?«, fragte sie.
     
    Reverend Derek Alton setzte sich in eine der vorderen Reihen seiner Kirche. Er musste lachen. An diesem Morgen hing ein seltsamer Geruch zwischen den Bänken, ein Geruch nach Moder und Schimmel, als wären Fenster und Türen seit Monaten
nicht mehr geöffnet worden. Alton fragte sich, ob es die Feuchtigkeit war, die durch die Steinplatten drang, bis das Eichenholz der Bankreihen verschimmelte und sich der Überzug der Kniekissen klamm anfühlte.
    Wenn er morgen in die Kirche kam, würde er vielleicht grüne Triebe zwischen den Platten emporschießen sehen, wie es draußen auf dem Friedhof der Fall war. Er wusste, gegen diese Invasion war er machtlos. Hilflos würde er zusehen müssen, wie die Natur den Mittelgang seiner Kirche zum Bersten brachte, die Bankreihen umwarf, seine Kanzel überwucherte und am Altargitter emporrankte.
    Am Abend zuvor hatten drei Mitglieder der Familie Oxley Derek Alton in seinem Bungalow einen Besuch abgestattet. Lucas war dabei gewesen, lachend und wie immer im Anzug, der Alte, Eric, der permanent nickte und wissend zwinkerte, und auch Scott. Scott Oxley hatte hinter den beiden älteren Männern Platz genommen, aber seinen Blick hatte Derek Alton am intensivsten auf sich ruhen gefühlt.
    »Herr Pfarrer, Sie wissen, dass wir Neil verloren haben …«
    »Ja, und das tut mir unendlich Leid.«
    »Wir wollten Sie um einen Gefallen bitten.«
    »Äh, selbstverständlich. Soll ich die Trauerfeier abhalten? Das ist kein Problem.«
    Die beiden älteren Männer sahen einander an, sagten aber nichts.
    »Wann soll die Beerdigung stattfinden? Haben Sie schon ein Datum vor Augen?«
    »Nein, nein«, wehrte Lucas ab. »Neil wird eingeäschert. Der Gottesdienst wird im Krematorium in Edendale stattfinden.«
    »Ich verstehe. Aber Sie brauchen jemanden, der den Gottesdienst abhält.«
    Zu seiner Überraschung begannen die drei Männer unruhig auf ihren Stühlen herumzurutschen.

    »Wir haben schon jemanden von der humanistischen Gesellschaft«, sagte Eric. »Das hätte er so gewollt.«
    »Oh.«
    »Aber wenn Sie möchten, können Sie trotzdem kommen.«
    »Danke.«
    »Wir wollten Sie um etwas anderes bitten.«
    »Um was denn?«
    »Herr Pfarrer, wir möchten, dass Sie seinen Platz einnehmen.«
    »Was?«
    »Wir möchten, dass Sie am Ersten Mai bei den Rats dabei sind. Na, Sie wissen doch, was wir da so machen. Es gibt sonst niemanden, der das rechtzeitig lernen würde.«
    »Also, ich

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