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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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ja?«
    »In Ordnung.«
    Fry erinnerte sich nur allzu gut an Shoppingausflüge mit ihren Freunden nach Birmingham oder in das Einkaufszentrum von Merry Hill, an Kneipentouren durch die Clubs von Birmingham, wo sie Bier getrunken und den Gesprächen der Jungs über West Bromwich gelauscht hatten.
    Sie fuhren durch Langley und kamen an der Kreuzung mit der A4123 Wolverhampton Road wieder auf die richtige Straße. Hier schienen alle Schilder Richtung Merry-Hill-Einkaufszentrum zu zeigen, Frys Einkaufsparadies als Teenager. Hierher waren am Samstag alle ihre Freunde gepilgert, aber nicht um Geld auszugeben, denn sie hatten keines. Außer, jemand hatte seiner Mutter ein paar Pfund aus dem Portemonnaie stibitzt. Meistens liefen sie nur herum, um dort zu sein und um gesehen zu werden. Nur so gehörte man zur Merry-Hill-Truppe.
    Mit ihren Freunden hatte Fry jeden Winkel des Einkaufszentrums unsicher gemacht, das fast ihr zweites Zuhause gewesen war. Sie hatten gelernt, wie sie am geschicktesten die Sicherheitskräfte und die Überwachungskameras austricksten. Aber auch andere, Männer mit Geld und einer gewissen Ausstrahlung, hatten sich von Merry Hill angezogen gefühlt. Und vielleicht auch von einer gewissen Gefährlichkeit.
    »Und was ist mit der Schwarzwälder Kirschtorte?«, fragte Murfin.

    Die Wolverhampton Road führte sie Richtung Süden, Richtung Warley und Bearwood. Und sobald sie das große, wei ße Ziegelkreuz am Turm der Baptistenkirche von Warley sah, wusste Fry, dass sie wieder zu Hause war.
    Stare nisteten auf den hohen Vorsprüngen, und ihre weißen Kotspritzer verunstalteten das schmucke Mauerwerk, das für eine Baptistenkirche von jeher zu verspielt gewesen war. Fry und Gavin hielten an und tankten. Vor der Tankstelle sah Fry die heimischen blau- und beigefarbenen Busse vorbeifahren. Bruchstücke des vertrauten westindischen Akzents drangen an ihr Ohr.
    Murfin war begeistert von den karibischen Restaurants und den pakistanischen Lebensmittelgeschäften, an denen sie vorbeikamen.
    »Somalisches Essen zum Mitnehmen!«, staunte er. »In Edendale kriegt man so was nicht.«
    »Hier eigentlich auch nicht«, erwiderte Fry trocken. »Da vorne musst du links abbiegen.«
    Sie bogen in eine Wohnsiedlung und fuhren bis Hilltop. Murfin hielt sich ausnahmsweise an Frys Anweisungen. Er wusste, dass sie sich hier auskannte. Sie passierten die Warley High School an der Pound Road. Der Vormittagsunterricht war in vollem Gang, und deswegen lungerten auch keine Schüler auf der Straße herum. Fry hörte irgendwo eine Glocke läuten und war froh, dass sie schon vorbei waren. Sie wollte nicht in Sichtweite der Schule sein, wenn die Kinder herauskamen.
    Die Badeanstalt von Warley hieß nun Schwimmzentrum. Weiter oben an der Thimblemill Road befand sich die Bücherei, wo Fry viele Stunden inmitten der Bücher zugebracht hatte, auf der Suche nach einer Geschichte, die ihr vertraut schien, die ihrer eigenen Geschichte ähnelte. Sie hatte nie etwas gefunden.
    Vor der Vorschule hatte jemand eine Yuccapalme in einen Blumentrog aus Beton gepflanzt, und die meisten Fenster waren
mit Fensterläden gesichert. Sonst sah es noch beinahe aus wie früher. Daneben lag die King’s Community Church. Hatte die Kirche in den Achtzigerjahren auch so geheißen? Fry hatte das Gefühl, als sei der Begriff des »Gemeinwesens« eine Erfindung der Achtziger. Zuvor hatten die Leute nicht die Notwendigkeit verspürt, diesen Tatbestand noch extra zu betonen. Einem Gemeinwesen gehörte man einfach an.
    Sie arbeiteten sich von einem Kreisverkehr zum nächsten vor. Um jeden gruppierten sich kleine Läden und ein Pub. Auf der George Road stellte Fry fest, dass es an einem Ende der Straße noch immer ein Pub namens Plough und am anderen Ende, bei der Vorschule, das George Hotel gab. Alles vertraute Örtlichkeiten, aber gleichzeitig so fremd wie die Kulissen eines immer wiederkehrenden schlechten Traums.
    Von dem Kreisverkehr bei den Geschäften von Hilltop aus hatte Fry einen ausgezeichneten Blick über das Tal und auf weitere Häuser. Vor dem Horizont zeichneten sich ein paar Maste ab, aber sie wusste nicht mehr, wozu sie da waren.
    »Möchtest du mal anhalten, Gavin?«, fragte sie. »Du kannst dir da drüben in der Bäckerei einen Kuchen holen.«
    »Klar, gern«, erwiderte Murfin überrascht.
    Während er in den Laden ging, kehrte sie die paar Meter zu dem Kreisverkehr zurück. Das kleine Doppelhaus aus Backstein stand noch da. Der Fassade nach war es aber

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