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Die einsamen Toten

Titel: Die einsamen Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Booth
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Quelle sichtbar war.
    Dabei bemerkte Cooper, dass neben der Kirche noch ein Brunnen lag. Aus der Mauer plätscherte Wasser, aber sonst wirkte er völlig vernachlässigt. Hier wurden keine Vorbereitungen getroffen, die Schmuckbretter aufzustellen wie bei dem Brunnen weiter oben im Dorf.
    In der kleinen Menge entdeckte Cooper ein bekanntes Gesicht. Eric Oxley, der einzige erwachsene Oxley, obwohl Cooper glaubte, zuvor einige der Kinder hier gesehen zu haben, die aufgeregt hin und her flitzten vor Begeisterung über das, was
sie nach der Schule erwartet hatte. Bald würde der Busfahrer der Verkehrsbetriebe von Yorkshire Extrafahrten zum Fundort der Leiche machen müssen. Man hatte mittlerweile einen Sichtschutz um das Grab herum aufgestellt, aber noch fehlte ein Zelt, um es vor Wind und Regen zu schützen.
    Als Cooper näher kam, schien sich Eric Oxley plötzlich an ihre erste Begegnung zu erinnern. Cooper war damals auf der Suche nach Shepley Head Lodge gewesen.
    »So ein Theater!«, schnaubte Eric. »Zum Glück haben wir ein Pub.«
    »Und eine Kirche haben Sie auch«, erklärte Cooper.
    »Ja, richtig, eine Kirche.«
    »Laut Reverend Alton ist die Gemeinde von St. Asaph sehr klein, und es kommen kaum noch Leute in die Gottesdienste. Um ehrlich zu sein, ich hätte gedacht, dass die Kirche inzwischen geschlossen ist.«
    Oxley ließ seinen Blick über die Dorfbewohner vor der Kirche schweifen. »Alle haben das hier gedacht«, fügte er hinzu. »Aber als wir gar nicht mehr damit gerechnet haben, ist der Kerl gekommen.«
    »Mr Alton?«
    »Ja, Mr Alton. Haben Sie gesehen, was der auf dem Friedhof getrieben hat?«
    »Er hat nur versucht, dort Ordnung zu machen. Damit es besser aussieht. Sonst würde das keiner machen, sagt er.«
    »Mag sein.«
    »Aber der arme Mann steht auf verlorenem Posten, Mr Oxley. Er könnte Hilfe gebrauchen.«
    Aber Oxley glotzte ihn an, als spräche er in einer fremden Sprache mit ihm.
    »Noch was?«
    »Ich habe vorhin gesehen, dass Ihre Schwiegertochter beim Brunnenschmuck mitarbeitet«, sagte Cooper.
    »Ja. Jedes Jahr. Die Jungen helfen auch mit.«

    »Stimmt.« Cooper fielen wieder die beiden Mädchen in der Wanne voller Lehm ein. »Wässern«, so hieß das hier – den Lehm vorbereiten, um ihn auf die Bretter streichen zu können.
    »Am Wochenende wird er aufgestellt«, sagte Oxley.
    »Was ist mit dem anderen Brunnen? Dem unterhalb der Kirche. Wieso wird der nicht geschmückt?«
    »Der wird nicht mehr gebraucht. Schon lange nicht mehr.«
    »Aber da ist doch noch Wasser drin.«
    »Weiß ich.«
    »Warum wird er dann nicht mehr benutzt?«
    »Weil er auf der falschen Seite der Kirche liegt«, antwortete Oxley.
    »Was soll das heißen, auf der falschen Seite?«
    Eric Oxley zuckte die Schultern. »Die Leute verwenden das Wasser auf der Seite nicht. Sie sagen, es ist verseucht.«
    »Aber auf dieser Seite des Dorfs gibt es doch keine Landwirtschaft. Die Bauernhöfe liegen alle am anderen Ende. Dort unten sind doch nur die Kirche, der Friedhof und die Gemeindehalle.«
    »Wie ich sagte – die Leute halten es für verseucht.«
    »Aber wodurch?«
    Entweder wusste Oxley keine Antwort darauf, oder er wollte sich nicht die Mühe machen, es zu erklären. Mit einem Schulterzucken wandte er sich zum Gehen.
    »Mr Oxley«, rief Cooper ihm nach.
    »Ja?«, sagte der alte Mann, ohne sich umzudrehen.
    »Die Gräber hinter der Kirche. Liegen da die Arbeiter, die die Eisenbahntunnel gebaut haben?«
    »Ja.«
    »Mir ist aufgefallen, dass sie alle um dieselbe Zeit gestorben sind. Woran?«
    Oxley war stehen geblieben, gab aber keine Antwort.
    »Hatte es einen Unfall in den Tunneln gegeben?«, fragte Cooper. »Vielleicht ein Deckeneinsturz, eine Explosion oder Ähnliches.
Alle sind in einem Zeitraum von einer Woche gestorben. War es ein Unfall, Mr Oxley?«
    »Nicht genau.«
    Endlich drehte Oxley sich wieder zu ihm um. Cooper konnte keine andere Regung als das übliche Misstrauen in seinen Augen entdecken. Oxleys Blick wanderte an Cooper vorbei zu dem Friedhof und dem vernachlässigten Brunnen voll mit Wasser, von dem die Dorfbewohner nichts wissen wollten. Aber es lag nicht Misstrauen, sondern Wut in seiner Stimme, als er weitersprach.
    »Nein, es war kein Unfall, der sie getötet hat.«
    »Kein Unfall? Was dann?«
    Oxley holte tief Luft und sah Cooper endlich in die Augen, als er eine Antwort gab.
    »Es war die Cholera.«
     
     
    Plötzlich kam es am Tor zum Friedhof zu einem Handgemenge, und laute Rufe ertönten. Zwei

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