Die einsamen Toten
wegzusperren, bevor sie etwas anstellen können. Ihrem Profil könne man entnehmen, wie wahrscheinlich es ist, dass sie eine Straftat begehen.«
»Ja, davon habe ich auch gehört.«
»Und dann habe ich Statistiken gelesen, wonach fast siebzig Prozent der Verbrechen in diesem Land von Jugendlichen begangen werden. ›Da hast du deine Antwort auf die steigende Verbrechensrate‹, habe ich mir gedacht.«
»Und wie sieht diese Antwort für Sie aus, Mr Dearden?«
»Das ist doch sonnenklar. Man muss alle Kids einsperren, bevor sie zu Verbrechern werden. Auf diese Weise kann man die Kriminalitätsrate mit einem Schlag um zwei Drittel verringern. Das könnte man doch tun?«
Cooper versuchte, ein logisches Gegenargument anzuführen, kam aber zu dem Schluss, dass es die Mühe nicht wert war.
»Gegen Fakten kommt man nicht an«, sagte Dearden.
»Mr Dearden, ich denke nicht, dass es die Oxleys sind, die Ihr Anwesen im Visier haben.«
»Unsinn. Zwei der Oxleys hat man doch erwischt und bestraft. Sie waren in eines meiner Nebengebäude eingedrungen und hatten Gartengeräte und Unkrautvernichtungsmittel gestohlen.«
»Ja, ich weiß. Ryan und Sean. Aber das liegt schon über ein Jahr zurück.«
»Seitdem habe ich sie oft genug bei mir herumlungern sehen.«
»Auch nach der Verhandlung?«
»Ja. Das heißt, nein. Direkt gesehen habe ich sie nicht. Aber ich weiß, dass sie es sind. Sie sind nur mittlerweile etwas vorsichtiger geworden und lassen sich nicht mehr erwischen. Sie haben gelernt, sich bei ihren Verbrechen cleverer anzustellen – das ist alles, was unsere Justiz für sie getan hat. Und für
mich. Seit sie vor Gericht standen, kennen sie nur ein Ziel – sich an mir zu rächen.«
»Wir halten es für wahrscheinlicher, dass es eine Bande von Antiquitätendieben ist, die Sie belästigt, und weniger die Oxleys, Mr Dearden.Wir glauben, dass Mr Oxley dem inzwischen einen Riegel vorgeschoben hat.«
»Aber wer sollte es sonst sein?«
»Ich weiß es nicht. Aber dass es die Oxleys sind, dafür gibt es keinen Beweis.«
»Es dürfte nicht schwer sein, Beweise zu finden. Ich habe Ihren Leuten doch schon tausendmal erklärt, dass sie nur die Häuser in Waterloo Terrace durchsuchen müssen und dort bestimmt jede Menge Diebesgut finden werden. Und ich weiß, dass Sie jederzeit eine Razzia durchführen könnten, wenn Sie wollten. Erst neulich waren Sie doch in aller Herrgottsfrüh in Hey Bridge.«
»Die Operation basierte auf langwierigen verdeckten Ermittlungen.«
»Verdeckte Ermittlungen?« Dearden lachte. »Da kann ich natürlich nicht mithalten. Offensichtlich bin ich zu blöd, um zu bemerken, was direkt vor meiner Nase vor sich geht. Kein Wunder, dass Ihre Leute mich einfach ignorieren. Für Sie bin ich doch nur ein alter Sack, der sich irgendwelche Dinge einbildet.«
»Das ist sicher nicht der Fall, Sir.«
»Aber ich bin sicher, dass Sie ganz schnell aufhorchen und von mir Notiz nehmen würden, wenn ich anfange, selbst was gegen diese Einbrüche zu unternehmen.«
Cooper musterte ihn genauer und bemerkte den herausfordernden Blick und das leicht fahrige Lächeln.
»Was genau, Sir?«, fragte er.
»Oh, das Geheimnis behalte ich lieber für mich. Aber ich habe was im Sinn, das die Oxleys ein für alle Mal ruhig stellen wird.«
»Das wäre nicht sehr vernünftig von Ihnen, Sir«, erwiderte Cooper. »Ich muss Sie eindringlich davor warnen, im Alleingang etwas zu unternehmen.«
»Sehen Sie«, sagte Dearden triumphierend. »Ich wusste doch, auf wessen Seite Sie sind.«
»Mr Dearden -«
Aber Michael Dearden hörte ihm schon nicht mehr zu. Er kehrte zu seinem Pick-up zurück, ließ den Motor an und brauste mit durchdrehenden Reifen durch Withens davon. Cooper sah ihm nach, als er Dead Edge hinauf und über die Grenze nach Yorkshire zurückfuhr.
Doch eines wunderte ihn. Derek Alton hat erzählt, dass Dearden vermied, durch Withens zu fahren, weil er fürchtete, den Oxleys auf der Straße vor der Waterloo Terrace zu begegnen. So wie an dem Tag, an dem er Jake angefahren und verletzt hatte. Vielleicht war das tatsächlich so. Aber Cooper konnte keinerlei Anzeichen von Schuldgefühl bei Michael Dearden entdecken. Zumindest nicht wegen der Sache mit Jake Oxley.
Weiter oben im Dorf, jenseits der Brücke, konnte Cooper sehen, dass gegenüber der Waterloo Terrace das Gerüst für den Brunnenschmuck aufgestellt wurde. Der Brunnen bestand aus einem Steintrog voll mit klarem Wasser, eiskalt, wie Cooper wusste, obwohl keine
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