Die einsamen Toten
Tod seines Bruders richtig bewusst gemacht hatte.
Cooper beobachtete ihn, wie er einige Briefe aus dem Drahtkorb hinter dem Briefkasten nahm. Er warf einen Blick auf Namen und Adresse seines Bruders, die mit Schreibmaschine geschrieben waren, runzelte die Stirn und legte die Umschläge auf das Fensterbrett. Dann nahm er sie erneut in die Hand, sah sie durch und legte sie mit schuldbewusstem Blick zurück in den Drahtkorb, als stünde es ihm nicht zu, die Post seines Bruders anzufassen.
»Wohnen Sie hier in der Nähe, Sir?«
»In Old Glossop, nicht weit weg von der Fabrik, wo ich arbeite.«
»Dann gehe ich davon aus, dass Sie manchmal in diesem Haus zu Besuch waren, Sir?«
»Ja, natürlich.«
»Und Sie sind auch im Wagen Ihres Bruders mitgefahren? In dem alten VW?«
»Ja, ein- oder zweimal. Warum?«
»Wir brauchen Ihre Fingerabdrücke, um Sie ausschließen zu können.«
Granger sah ihn verständnislos an.
»Das kann bis morgen warten, Sir. Wenn Sie Ihre offizielle Aussage machen.«
»Ja. Wie Sie wollen.«
Das Haus war nur spärlich eingerichtet. Niemand hatte sich Mühe gegeben, die Möbel passend zu arrangieren. Aber etwas anderes hätte Cooper von einem allein lebenden Mann auch nicht erwartet. Im Wohnzimmer stand in einer Ecke eine Stereoanlage mit zwei beachtlich großen Lautsprechern, in der anderen ein Fernsehapparat. Auf der Lehne eines Sofas lag eine Fernbedienung.
»Haben Sie Neil beim Umzug geholfen?«, fragte Cooper.
»Ja. Die Möbel sind ziemlich zusammengewürfelt. Manche hat er geschenkt bekommen, andere gebraucht gekauft. Ein paar neue Sachen sind auch darunter. Die Stereoanlage, zum Beispiel.«
Cooper trat an die Stereoanlage und ließ das Fach für die CDs aufklappen. Nirvana. Aus irgendeinem Grund war er überrascht. Eigentlich wusste er ja noch nicht viel über Neil Granger. Er drehte sich wieder zu Philip um, der auf die Fernbedienung auf dem Sofa starrte.
»Sind Sie sicher, dass Sie niemanden anrufen wollen, der Ihnen Gesellschaft leisten könnte? Wir rufen gern einen Arzt, wenn Sie sich nicht wohl fühlen.«
»Nein, ich bin okay.« Aber plötzlich ließ Granger sich in einen der Sessel fallen, als hätten seine Beine ihren Dienst versagt. »Aber gegen einen Drink hätte ich jetzt nichts einzuwenden.«
»Wir bemühen uns, Ihre Zeit nicht zu lange in Anspruch zu nehmen.«
»Ist schon in Ordnung. Sie brauchen meine Aussage, sagten Sie?«
»Ja, morgen. Eine offizielle Aussage. Aber alles, was Sie uns jetzt schon sagen können, um den Mörder Ihres Bruders rasch überführen zu können, würde uns weiterhelfen.«
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
»Hat Ihr Bruder lange hier gewohnt?«
»Er ist erst im vergangenen Sommer hier eingezogen. Er hat eine Zeit lang auswärts gearbeitet, um für eine Anzahlung zu sparen.«
»Es ist heutzutage ganz schön schwierig, sich ein Haus zu kaufen. Hatte er einen guten Job?«
»Er arbeitete bei den Lancashire Chemicals, seit er wieder zurück war. Sie hielten dort große Stücke auf ihn. Er verdiente übrigens mehr als ich.«
»Wissen Sie, wie viel er für dieses Haus bezahlt hat?«
»Nein, kann ich mich nicht erinnern. Ist das wichtig?«
»Nein, machen Sie sich keine Gedanken.«
So etwas konnten sie leicht herausfinden. Ebenso die Höhe von Neil Grangers Hypothekenzahlungen und das Verhältnis, in dem sie zu seinem Lohn in der Chemiefabrik standen. Cooper war sich nicht sicher, ob hinter seiner Neugierde in diesem Fall nicht persönliches Interesse steckte. Er wusste nur allzu gut, wie schwierig es war, genügend Geld für eine Anzahlung auf ein Haus in Derbyshire zusammenzubekommen und noch dazu die Hypothek abzuzahlen. Bei seinem Gehalt als Detective Constable musste er lange sparen, selbst nach zehn Jahren Dienst noch. Aber vielleicht waren die Immobilienpreise in Tintwistle niedriger als in dem begehrten Edendale.
Cooper warf einen Blick in die Küche, die überraschend sauber und aufgeräumt war. Neben der Hintertür führten mit Teppich belegte Stufen nach oben. Cooper überlegte, wo er am besten anfangen sollte, nach einem Tagebuch, nach Briefen oder einem Adressbuch zu suchen.
»Wie viele Schlafzimmer gibt es hier?«
»Oh, zwei«, antwortete Philip. »In dem kleineren hat Neil seinen Computer stehen.«
»Ich verstehe.«
Das Haus war klein, aber gar nicht übel. Innen war es bestens in Schuss. Eigentlich ideal für einen oder zwei Personen, die ihren ersten Hausstand gründeten.
Cooper ging in den Garten hinter dem
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