Die Einsamkeit des Barista
anderen verheiratet. An dem Punkt muss das, was für uns eine Schlussfolgerung ist, für sie zur Gewissheit werden.«
Massimo stürzte den Espresso in zwei entschiedenen Schlucken hinunter.
»Hab verstanden, Massimo. Aber du musst mir erklären, wie du darauf gekommen bist, dass unter den Dokumenten auch dieses Gutachten sein musste.«
»Weil es logisch war. Fabbricotti macht eine Schenkung zugunsten seines Sohnes, mit dem offensichtlichen Ziel, seine Frau so weit wie möglich von der Erbschaft auszuschließen. Richtig?«
»Richtig.«
»Also, eine solche Schenkung kann sehr leicht angefochten werden. Wenn sie habgierig gewesen wäre, hätte sie beschließen können, sich am Anteil des Sohnes gütlich zu tun, um mehr zu bekommen als das, was einer Ehefrau als Pflichtteil zusteht.«
»Und das heißt?«
»Die Krankheit, an der Fabbricotti litt, beschränkt sich nicht darauf, die körperliche Beweglichkeit zu zerstören. Mit der Zeit wäre er dement geworden. Das wusste Fabbricotti. Und wenn die Ehefrau oder irgendein anderer Verwandter Einwände gegen das Testament hätte vorbringen wollen, hätte er theoretisch auf Fabbricottis Krankheit setzen können, um die Vermutung zu äußern, dass jener nicht zurechnungsfähig war, als das Testament aufgesetzt wurde. Fabbricotti wollte sich so gut wie möglich gegen diese Möglichkeit absichern.«
»Hm. Ich verstehe. Passt tatsächlich zusammen. Auch mit dieser anderen Sache.«
»Welcher anderen Sache?«
»Die ich dir gestern am Telefon erzählt habe. Ich habe den Satz angefangen, aber das Band war nach der Hälfte schon zu Ende.«
»Ah. Ist mir gar nicht aufgefallen.«
Nein, es ist dir gar nicht aufgefallen. Als du die Worte »Angelica Carrus« gehört hast, bist du nämlich schon aufgesprungen und hast einen Tanz aufgeführt wie ein Indianer, der um Regen bittet.
»Die andere interessante Sache war eine Erklärung, in der darauf verzichtet wurde, Einwände gegen die Schenkung zu erheben, unterzeichnet von Marina Corucci.«
»Ah.«
Tiziana lächelte breit.
»Was bedeutet, wie du sagst, dass Marina Corucci im Grunde so reich gar nicht war. Was meinst du?«
»Ja, gut. Nein, ich würde sagen, nein. Guten Tag, Aldo.«
Aldo schloss die Tür und ging zu seinem Platz, um sich zu setzen.
» Salve a tutti, belle e brutti. Tiziana, einen Cappuccino, bitte.«
»Sofort. Also, Massimo, was denkst du über diese ganze Geschichte?«
Massimo atmete durch. Er hätte sich gern eine Zigarette angezündet, aber wenn Aldo in der Bar war, kam das nicht infrage. Sie machten sowieso schon zu viele Ausnahmen.
»Ich glaube, dass Carpanesi nicht der Einzige war, der sich den Tod von Marina Corucci hätte wünschen können. Ich glaube, wenn Carpanesis Ehefrau auf der benachbarten Station ihres Krankenhauses ihre Rivalin im Bett liegen gehabt hätte, die, nachdem sie ihren Mann ordentlich durchgebumst hat, ihn auch noch erpresste, dass sie nicht lange gefackelt hätte, um sie zu erledigen. Es gibt ein Motiv, und es gibt eine Gelegenheit. Was es nicht gibt, sind die Beweise.«
»Na gut, darum wird sich die Polizei kümmern«, sagte Aldo, während er an seinem Cappuccino schlürfte. »Auf jeden Fall haben wir uns das ganz genauso gedacht wie du.«
»Wer ihr?«
»Wir. Ich, Pilade, Ampelio und Rimediotti. Als Tiziana uns heute Morgen erklärt hat, was du sie hast suchen lassen, da haben wir ein bisschen darüber geredet, aber wir wussten doch sofort, was da passiert sein muss. War ja eh klar.«
Massimo schaute sich um. Er war erbleicht.
»Aldo?«
»Ich bin hier.«
»Sag mir noch mal ganz langsam: Wo sind mein Großvater und die anderen in diesem Augenblick?«
»Wo sollen sie denn sein? Sie sind auf dem Kommissariat, oder? Sie sind hingegangen, um Fusco zu erklären, was passiert sein muss. Ich musste noch den Einkauf fürs Restaurant erledigen, deshalb konnte ich nicht mitkommen, aber du wirst sehen, sie sind bald wieder zurück.«
Massimo ging um den Tresen herum. Während er dahinter vorkam, griff er zu der Flasche Demerara und schenkte sich eine großzügige Menge davon in ein Glas. Beinahe gleichzeitig läutete das Telefon. Tiziana ging hin, um abzuheben, da Massimo auf der anderen Seite des Tresens war.
»BarLume, guten Tag. Was wollen Sie? Ja, Augenblick bitte.«
Tiziana deckte den Hörer mit der Hand zu.
»Massimo, für dich. Das Kommissariat.«
Massimo stellte die Flasche ab und nahm das Glas. Er schnupperte resigniert daran.
»Sag ihm, ich bin gleich da.«
»Und
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