Die Einsamkeit des Barista
jetzt sagen Sie mir: Was soll ich tun?«
Massimo antwortete nicht. Vor ihm auf dem Chefsessel mit Rollen, die Hände gefaltet und die Daumen übereinander verschränkt, hatte Fusco gerade die Aufzählung der Vergehen beendet, derer er theoretisch ihn und die gesamte Truppe aus der Bar beschuldigen könnte, und die von Verbreitung von Amtsgeheimnissen (Tiziana) bis hin zu Missbrauch einer Führungsposition (Massimo) reichten und in Behinderung der Ermittlungen (die restlichen vier Wüstlinge) gipfelten. Auch wenn Massimo es für gewöhnlich liebte, jede Art von Frage zu beantworten, war ihm nur allzu sehr bewusst, dass diese Frage des Dottor Commissario eine rein rhetorische war, und folglich verharrte er in Schweigen; auch weil er zu sehr damit beschäftigt war, einen Punkt zu suchen, auf den er schauen konnte, der nicht Fuscos Gesicht war, was ihm im Augenblick ziemlich peinlich war.
»Signor Viviani, ich verstehe ja, dass Sie sich langweilen. Ich weiß auch, dass Sie in den letzten Jahren sehr hilfreich waren. Aber man darf zu strafrechtlichen Vergehen nicht auf eigene Faust private Ermittlungen anstellen. Ist Ihnen eigentlich klar, was passieren würde, wenn alle sich so verhalten würden wie Sie?«
Auch dieses Mal antwortete Massimo nicht, anscheinend tief in das Studium des Reißverschlusses seiner Hose versunken.
»Diesbezüglich möchte ich einen zentralen Punkt klarstellen.« Fusco hatte kaum merklich den Ton verändert.
Massimo hob den Kopf und nickte.
»Nur zu.«
Fusco holte tief Luft, löste die Daumen und fing an, die angespannten Hände zu öffnen und zu schließen, wobei er sie an den Daumenballen zusammenhielt.
»Ich lebe nun schon seit Jahren in der Toskana. Und eins habe ich über die Leute hier gelernt. Wenn man nicht jederzeit einen flotten Spruch auf den Lippen hat und nicht blitzschnell reagiert und keine spitze Zunge hat, dann haltet ihr Toskaner einen für einen Idioten. Stimmt das oder nicht?«
»Na ja, um ehrlich zu sein, ja. Die Mehrheit benimmt sich so, wie Sie sagen.«
»Eben. Ich habe nicht jederzeit einen flotten Spruch auf den Lippen, Signor Viviani. Ich bin einfach nur jemand, der versucht, einen Fehler niemals zweimal zu machen. Manchmal gelingt mir das, manchmal nicht. Ich bin nicht so ein Dummkopf, wie ihr glaubt. Ich mag es nicht, wenn man mich übergeht, ich mag es nicht, wenn man sich in meine Amtsführung einmischt. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Mehr ja als nein, würde ich sagen. Massimo nickte.
»Gut. Derzeit laufen die Ermittlungen. Von jetzt an bis zum Abschluss der Ermittlungen wird keinerlei Einmischung toleriert werden. Guten Tag, Signor Viviani. Und«, schloss Fusco boshaft, »grüßen Sie mir Ihren Großvater.«
Zehn
»Bis dass der Tod euch scheidet. Bericht von Marinella del Frè. Pisa. Immer enger schließt sich der Kreis um die Beschuldigten des Verbrechens, das allgemein als ›der Fall Santa Chiara‹ bekannt ist, also dem Mord an Marina Corucci, der exakt vor einer Woche auf der Intensivstation unseres Krankenhauses in Pisa begangen wurde. Jenes Delikt gilt bei den Ermittlern inzwischen als Beziehungstat. Der Kreis der möglichen Verantwortlichen scheint sich nun auf zwei Personen verengt zu haben: Stefano Carpanesi, namhafter Politiker und Kandidat der Mitte-Linken bei der außerordentlichen Wahl, und seine Frau, Angelica Carrus, Chefärztin für Neurologie am selben Hospital, in dem das Verbrechen begangen wurde. Marina Corucci wurde durch eine Injektion von Luft ermordet, die zu einer tödlichen Embolie führte, als sie, in kritischem Zustand, nach einem schrecklichen Verkehrsunfall im Krankenhaus lag.«
Hinter dem »Corriere«, so vorsichtig aufgeschlagen, dass er aussah wie frisch gestärkt, hörte man Rimediottis laute und unbeteiligte Stimme, die die übrige Bar über die jüngsten Entwicklungen im Fall Corucci informierte. Die übrige Bar mit Ausnahme der zwei Japanerinnen, wahrscheinlich Mutter und Tochter, die an einem Tischchen ganz hinten saßen und ihren Cappuccino genossen, während sie vor Freude juchzend aus Einkaufstüten all das herauszogen, was sie im Laufe des Vormittags gekauft hatten.
»›Wie bereits bekannt, hat sich für Carpanesi, der sich schon im Visier der Ermittler befand, weil er vermutlich Opfer eines Erpressungsversuchs durch Corucci war, die Lage noch weiter verschlechtert, nachdem entdeckt worden war, dass Giacomo Fabbricotti, Marina Coruccis Sohn, der bei demselben Verkehrsunfall verstorben ist, welcher das
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