Die Einsamkeit des Chamäleons
einer Sache Geld zu verdienen, die ich sonst glatt als Hobby betreiben würde. Partyservice heiÃt ja auch âºDienstleistung beim Feiernâ¹, wer feiern will, soll sich um nichts kümmern müssen. Das hat mir schon immer gefallen. Und so habe ich diese Dienstleistung zu meinem Beruf gemacht.«
»Kann ich gut verstehen. Sogar die nächste Generation des britischen Königshauses entspringt einem Partyservice. Nun macht auch dein edles Gewand Sinn! Gibt es ihn auch in deinem Leben, den Prinzen?«
Eine wohlige Erinnerung an ihre letzte leidenschaftliche Begegnung mit Mark zauberte Rebekka ein Lächeln ins Gesicht. Sie errötete leicht und spürte ein Kribbeln im Unterleib, während sie seufzend ausatmete, die Lippen spitzte und aus vollem Herzen sagte: »Nein. Mich will wohl keiner.«
Erst jetzt fiel Rebekka auf, dass keines der Otto-Kinder in Begleitung eines Partners war.
Neben Rebekka nahm das Ehepaar Platz, das ihr bei der Beerdigung aufgefallen war. Die Frau reichte ihr zur BegrüÃung die Hand.
»Hallo, ich habe gehört, Sie seien eine entfernte Freundin unseres Karl-Heinz?«
»Nicht ich, sondern meine Mutter kannte ihn gut. Ich bin die Vertretung, sozusagen. Rebekka, angenehm.«
»Ingrid â und das ist mein Mann Erik.«
Erik beugte sich vor und reichte Rebekka nun ebenfalls die Hand. Ein warmer, fester Händedruck, den sie diesem Mann nicht zugetraut hatte.
Ingrid war hübsch wie Claudia Schiffer. Erik zwei Köpfe kleiner als seine Frau, gedrungen und unscheinbar wie Matthew Vaughn. Ein Powerpaar nannte man eine solche Kombination, und Rebekka lieà sich sofort anstecken von der geballten Kraft, die von diesem Pärchen ausging.
Ingrid genoss es ganz offensichtlich, dass nun der Druck und die Trauer vorerst gewichen waren und es allen etwas besser ging.
»Schön, diese Kneipenrunde ohne Kind, auch wenn es ein recht trauriger Anlass ist, da müssen wir schlieÃlich alle mal durch. Und wennâs noch nicht die eigene Beerdigung ist, kann man danach noch mit auf einen Drink gehen, so wie wir jetzt. Wie in diesem irischen Witz, kennen Sie den â¦Â«
»Ingrid«, unterbrach Erik seine Ehefrau sanft. »Lass doch erst mal unseren Gast zu Wort kommen. Wie erfuhren Sie denn von Kalles Tod?«
Menschen wie Kofi Annan redeten mit dieser leisen Stimme auf diese unprätentiöse Art, die jeden sofort verstummen lieÃ. Erik Assmann gehörte zu ihnen. Er fragte auf eine Weise, die Rebekka vorsichtig werden lieÃ. Es war kein Aushorchen, aber doch ein direktes Abchecken ihrer Beweggründe, sich unter die Familie gemischt zu haben. Das alles verpackt in die charmanteste Ausstrahlung, der Rebekka seit Langem bei einem Mann begegnet war.
»In der Zeitungsannonce stand der Termin der Beerdigung«, Rebekka genoss es wieder, die Wahrheit sagen zu können, zumindest kurz. »Meine Mutter hatte nur noch sporadisch Kontakt zu Karl-Heinz, aber sie trafen sich hin und wieder auf einen Kaffee. Das Büro, in dem sie noch für ein paar Stunden in der Woche ihre Rente aufbesserte, war ganz in der Nähe der Recyclingfirma.«
»Soso.«
Erik gab sich zufrieden wie ein Jäger, der das Kitz verschonte, um kurz danach den Bock zu schieÃen.
Ulrike schien die Anspannung zu spüren, die plötzlich wieder über der kleinen Runde lag. »Vielleicht können wir uns auch so mal â¦Â«, sie zögerte mit einem Blick auf Erik, der Rebekka nicht entging, »⦠treffen? Wenn es deine Zeit zulässt?«
»Gerne!«
Rebekka kramte eine ihrer Visitenkarten hervor, die sie speziell für diesen Anlass hatte anfertigen lassen. Rebekka Schomberg, Handynummer und E-Mail-Adresse auf eierschalenfarbenem Karton.
»Hier, so kriegst du mich immer.«
»Darf ich?«, fragte Erik mit gerunzelter Stirn und wollte Ulrike die Karte aus der Hand nehmen.
»Ich habe noch eine für Sie.«
Rebekka gab ihm eine Karte, und Erik hielt ihre Hand etwas länger als notwendig fest. Doch es war kein Flirt. Es war Ernst.
»Es würde uns freuen, wenn Sie mal zu uns zum Essen kämen, oder? Inge? Was meinst?«
Das schien die längst überfällige Liebkosung zu sein, die Kontrollphase war überstanden, also hängte sich seine Frau wieder bei Erik ein und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. Ein schönes Paar, dachte Rebekka und daran, dass sie gerade eine Hürde bewältigt hatte,
Weitere Kostenlose Bücher