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Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition)

Titel: Die Einzige: In deinen Augen die Unendlichkeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Khoury
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sogar bis zur Falkschlucht, wo Elysia wächst.
    Plötzlich will ich keine Party mehr und kein Kleid und keinen Kuchen. Das alles erscheint mir hohl und dumm. Stattdessen möchte ich diesem silbernen Pfad bis zum Ende folgen und nicht ein einziges Mal zurückschauen. Die Hände an die Scheibe gepresst, schaue ich hinaus in den Dschungel und frage mich, welche Geheimnisse sein Dunkel birgt.
    Plötzlich bemerke ich eine Bewegung in den Blättern. Ein Nasenbär taucht aus dem Unterholz auf, den langen schwarzen Schwanz senkrecht aufgestellt. Er schnuppert am Zaun und einen Augenblick lang fürchte ich, er könnte ihn berühren und einen Elektroschock bekommen. Die elektrischen Impulse in der Umzäunung werden alle 1,2 Sekunden erzeugt, die Voltzahl ist dabei nur so hoch, dass sie Eindringlinge abhält. Einem so kleinen Tier wie dem Nasenbär könnte der Zaun allerdings beträchtliche Verletzungen zufügen. Doch er muss die Gefahr spüren, denn er schüttelt den Kopf und trollt sich.
    Er verschwindet zwischen den Blättern und mit ihm verschwinden auch meine verrückten Gedanken. Ich muss laut lachen – nachts in den Dschungel laufen, so ein Quatsch! – und beeile mich, zu meiner Party zu kommen.
    Mitten in Little Cam liegt ein Garten. In einem großen Bereich werden Obst und Gemüse angebaut, doch der Rest besteht aus Wegen und Teichen und Blumenbeeten. Ich rieche die Orchideen schon, noch bevor ich dort bin. Ihr Duft ist nachts am intensivsten. Sie locken damit die Nachtfalter an, die ihre Pollen im Dschungel verteilen.
    Eine ganze Menge Leute wartet auf mich. Sie begrüßen mich mit lautem Jubel und ich muss unwillkürlich lachen, als ich sie sehe. Die meisten Männer tragen Anzüge, die sie im Gepäck hatten, als sie vor Jahren nach Little Cam kamen, und man sieht ihnen an, dass sie seither nicht mehr getragen wurden. Sie sind ganz zerknittert und passen nicht mehr richtig. Einige Männer sind im Smoking erschienen, darunter mein Vater und Onkel Paolo. Sie müssen Onkel Timothy gebeten haben, sie ihnen von draußen mitzubringen. Meine Mutter trägt ein silbernes Kleid und hat sich Orchideen ins Haar gesteckt. Kein Vergleich zu der ernsten, strengen Frau, die normalerweise in T-Shirt und Shorts herumläuft. Bis jetzt ist mir nie aufgefallen, wie schön meine Mutter ist. Die wenigen Falten in ihrem Gesicht scheinen verschwunden, sie lächelt und hat sich bei Onkel Paolo eingehängt.
    Als sie mich sieht, seufzt sie, löst sich von Onkel Paolo und ergreift meine Hände.
    »Oh, Pia.« Sie streicht über den zarten Stoff an den Ärmeln meines Kleides. »Dreh dich für mich.«
    »Warum? Was stimmt nicht mit dem Kleid?«, frage ich, während ich mich langsam drehe. Meine Mutter findet garantiert an allem etwas auszusetzen.
    Doch als wir uns wieder gegenüberstehen, ist ihr Blick nicht tadelnd. Sie hat Tränen in den Augen. Mir klappt fast der Unterkiefer herunter. Tränen? Meine Mutter? Das hat’s noch nie gegeben.
    »Ist alles… in Ordnung?«, erkundige ich mich verunsichert.
    Sie lächelt. »Du siehst so erwachsen aus. Meine Pia. Siebzehn Jahre alt.« Urplötzlich – als sei der Augenblick nicht schon merkwürdig genug – nimmt sie mich in den Arm. In den Arm! Als sie mich das letzte Mal in den Arm genommen hat, konnte ich noch nicht mal laufen. Ich bin starr vor Staunen und erwidere die Umarmung nur zögernd. Über ihre Schulter hinweg schaue ich zu Onkel Paolo hinüber. Er guckt genauso überrascht.
    Als Mutter mich loslässt, fühle ich mich innen drin ganz warm. Vielleicht kenne ich sie doch nicht so gut, wie ich dachte.
    »Komm, Pia«, sagt sie, »deine Gäste warten.«
    Im ganzen Garten verteilt stecken Fackeln im Boden. Ihre Flammen wiegen sich geschmeidig wie Dutzende kleiner weißer und orangefarbener Tänzer, deren Körper einer lautlosen Feuermusik folgen. Einen Augenblick lang bin ich fasziniert von ihnen und würde ihrem Tanz am liebsten folgen. Die Fackeln sind ein Luxus, eine Dreingabe, um die ich nicht gebeten habe. Sobald es Nacht wird in Little Cam, lassen wir möglichst wenig Lichter brennen. Onkel Timothy hat mir einmal gesagt, die Außenwelt hätte Augen im Himmel. Satelliten, die so weit hinaufgeschossen wurden, dass sie im Weltraum hängen und alles beobachten, was unten passiert. Bei Tageslicht sind wir unter den vielen Palmen, Kapok- und Capironabäumen verborgen, die zwischen den Gebäuden wachsen. Doch nachts kann nicht einmal der dichte Blätterbaldachin verhindern, dass Licht den Himmel

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