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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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war?«
    Coops Gesichtszüge erstarrten. »Nun«, sagte er und gewann seine Fassung wieder, »nicht ganz. Es ist ein Unterschied, ob man weiß, was geschieht, oder ob man es begreift. Es ist möglich, daß sie während des gesamten Geschehens dissoziiert hat.«
    »Wenn sie dissoziiert hat, als sie erkannte, daß das Baby in ihren Armen gestorben war, wie Sie sagen, dann war sie sich nicht wirklich darüber im klaren, was geschehen war?«
    Coop nickte. »Das ist richtig.«
    »Wie lassen sich dann ihre ungeheure Trauer und Scham erklären?«
    Er hatte Coop mit dem Rücken an die Wand gedrängt, und wir alle wußten es. »Katie hat eine Vielzahl von Abwehrmechanismen entwickelt, um die Geburt durchzustehen. Von denen könnten noch einige in Funktion gewesen sein, als sie begriff, daß das Neugeborene gestorben war.«
    »Wie praktisch«, entgegnete George.
    »Einspruch!« rief ich.
    »Stattgegeben.«
    »Doktor, Sie haben ausgesagt, das erste, woran Katie sich im Zusammenhang mit der Geburt erinnerte, war, daß sie nicht wollte, daß Blut auf die Bettwäsche kam und sie deshalb in den Stall gegangen ist, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »An das Baby selbst konnte sie sich nicht erinnern.«
    »Das Baby kam nach den Wehen, Mr. Callahan.«
    Der Staatsanwalt lächelte. »Das hat mir mein Dad vor vierzig Jahren auch erzählt. Ich wollte damit sagen, daß die Angeklagte sich nicht erinnern konnte, das Baby gehalten oder eine emotionale Bindung zu ihm aufgebaut zu haben, ist das richtig?«
    »Das wäre nach der Geburt passiert. Nach der Dissoziation«, sagte Coop.
    »Nun, dann erscheint es doch entsetzlich gefühllos, sich wegen der Bettwäsche Sorgen zu machen, wenn man offenbar ganz berauscht ist von dem Gedanken, ein Kind zu gebären.«
    »Zu dem Zeitpunkt war sie nicht davon berauscht. Sie hatte panische Angst und dissoziierte.«
    »Sie war also nicht sie selbst?« hakte George nach.
    »Genau.«
    »Könnte man dann sogar sagen, daß die Angeklagte psychisch abwesend war, während sie physisch anwesend war und unter Schmerzen ein Kind zur Welt brachte?«
    »Richtig. Selbst in einem dissoziativen Zustand kann man automatisch funktionieren.«
    George nickte. »Ist es nicht denkbar, daß der Teil von Katie Fisher, der physisch präsent und imstande war, ein Kind zu gebären und die Nabelschnur durchzuschneiden, auch physisch präsent und imstande war, das Baby zu töten?«
    Coop schwieg einen Moment. »Es ist vieles denkbar.«
    »Ich fasse das als ja auf.« George wollte schon wieder zurück zum Tisch der Staatsanwaltschaft gehen. »Ach, noch eine letzte Frage. Wie lange kennen Sie Ms. Hathaway schon?«
    Ich war aufgesprungen, ehe ich es selbst bemerkt hatte. »Einspruch!« schrie ich. »Die Frage hat keine Relevanz und entbehrt jeder Grundlage.«
    Bestimmt konnte jeder sehen, wie rot ich im Gesicht geworden war. Im Saal war es auf einmal mucksmäuschenstill. Coop sah aus, als wäre er am liebsten im Boden versunken.
    Richterin Ledbetter schielte zu mir herüber. »Beide Anwälte zu mir«, sagte sie. »Was soll Ihre Frage, Mr. Callahan?«
    »Ich möchte deutlich machen, daß Ms. Hathaway seit vielen Jahren eine berufliche Beziehung zu dem Zeugen hat.«
    Ich drückte meine schweißnassen Hände flach auf die glatt polierte Richterbank. »Wir haben vorher noch nie für einen Prozeß zusammengearbeitet«, sagte ich. »Mr. Callahan versucht ganz einfach, die Geschworenen zu beeinflussen, indem er auf den Umstand hinweist, daß Dr. Cooper und ich uns nicht nur beruflich kennen, sondern auch privat.«
    »Mr. Callahan?« sagte die Richterin.
    »Euer Ehren, ich denke, daß hier ein Interessenkonflikt vorliegt, und ich möchte, daß die Geschworenen das wissen.«
    Während die Richterin unsere Stellungnahmen abwägte, mußte ich daran denken, wie Katie zugegeben hatte, den Vater ihres Babys zu kennen. Der Mond war voll und weiß gewesen, gegen das Fenster gepreßt, um zu lauschen; Katies Stimme war weicher geworden, als sie Adams Namen aussprach. Und vor nicht mal zehn Minuten: Diese Erinnerung ist das einzige, was mir geblieben war, und du hast es weggegeben .
    Wenn George Callahan hiermit Erfolg hatte, würde er mir etwas wegnehmen.
    »Also schön«, sagte die Richterin. »Ich gestatte Ihnen, mit Ihrer Befragung fortzufahren.«
    Ich ging zurück zu meinem Tisch und setzte mich neben Katie. Sie ergriff meine Hand und drückte sie. »Wie lange kennen Sie die Verteidigerin?« fragte George.
    »Zwanzig Jahre«, sagte Coop.
    »Stimmt es, daß

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