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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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ein in säuberlicher Druckschrift geschriebener Familienstammbaum, mit Ledas Namen direkt über Sarahs.
    Kein Fernseher, kein Telefon, kein Videorecorder. Kein Wall Street Journal ausgebreitet auf der Couch, keine Jazz-CD, die leise im Hintergrund lief. Im Haus roch es nach Zitronenbohnerwachs, und es war so warm, daß ich kaum Luft bekam. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Worauf hatte ich mich da nur eingelassen?
    »Leda«, sagte ich bestimmt. »Ich kann das nicht machen.«
    Ohne zu antworten, setzte sie sich auf die unscheinbare braune Kordcouch, auf der gehäkelte Deckchen lagen. Wann hatte ich so was zum letzten Mal gesehen.
    »Ich komme wieder mit zu euch. Wir lassen uns dann schon was einfallen. Ich kann jeden Morgen von euch aus hierherfahren. Oder ich kann einen Termin bei dem Richter beantragen, um nach einer Alternative zu suchen.«
    Leda faltete die Hände im Schoß. »Hast du denn wirklich so große Angst vor ihnen?« fragte sie. »Oder liegt es bloß daran, daß du Angst vor dir selbst hast?«
    »Sei nicht albern.«
    »Bin ich das? Ellie, du bist eine Perfektionistin. Du bist es gewohnt, Dinge in die Hand zu nehmen. Und auf einmal sitzt du hier an einem Ort, der dir so fremd ist wie ein Basar in Kalkutta.« Ich sank neben ihr auf die Couch und vergrub das Gesicht in den Händen. »Über Kalkutta hab ich wenigstens schon mal was gelesen.«
    Leda tätschelte meinen Rücken. »Schätzchen, du bist schon mit Mafiabossen fertig geworden, obwohl du kein Mitglied der Mafia bist.«
    »Ich bin aber nicht bei Jimmy Pisano eingezogen, als ich ihn verteidigt habe, Leda.«
    Darauf hatte sie keine Antwort. Sie seufzte. »Es ist bloß ein Fall, Ellie. Und du warst doch bisher immer zu allem bereit, um einen Fall zu gewinnen.«
    Wir sahen beide in die Küche, wo Katie und Sarah nebeneinander an der Spüle standen. »Wenn es bloß ein Fall wäre, wäre ich nicht hier.«
    Leda gab mit einem Nicken zu, daß mir das alles einiges abverlangte. »Also gut. Ich verrate dir ein paar Grundregeln. Hilf, ohne darum gebeten zu werden; Amische achten sehr darauf, was du tust, und weniger darauf, was du sagst. Es spielt für sie keine Rolle, daß du nichts von Farmarbeit oder Milchwirtschaft verstehst – was zählt, ist, daß du versuchst, dich nützlich zu machen.«
    »Was heißt hier Farmarbeit – ich verstehe nichts vom amischen Leben .«
    »Das erwarten sie auch nicht von dir. Und da ist nichts, was du wissen müßtest. Es sind Leute wie du und ich. Gute und Böse, Freundliche und Reizbare, manche werden es dir leicht machen, und andere werden wegsehen, wenn du kommst. Touristen betrachten die Amischen als Heilige oder als malerische Attraktion. Wenn du willst, daß die Familie dich akzeptiert, behandele sie einfach wie normale Menschen.«
    Als täte ihr die Erinnerung weh, stand sie unversehens auf. »Ich geh jetzt«, sagte Leda. »So unangenehm es für Aaron Fisher auch ist, daß du hier bist, noch unangenehmer ist es für ihn, daß ich hier bin.«
    »Du kannst doch jetzt nicht schon gehen!«
    »Ellie«, sagte Leda sanft, »du kommst schon zurecht. Ich hab ja schließlich auch überlebt, nicht wahr?«
    Ich sah sie mit zusammengekniffenen Augen an. »Du bist weggegangen.«
    »Nun, das wirst du eines Tages auch tun. Vergiß das nicht, dann kommt der Tag schneller, als du denkst.« Sie zog mich mit in die Küche, wo das Gespräch abrupt verstummte. Alle blickten auf, offenbar leicht verwundert, daß ich noch da war. »Ich fahre jetzt«, sagte Leda. »Katie, möchtest du Ellie vielleicht dein Zimmer zeigen?«
    Mir schoß der Gedanke durch den Kopf: So etwas machen sonst Kinder. Wenn Verwandte zu Besuch kommen, wenn ihre Freunde vorbeischauen, dann nehmen sie sie mit in ihr eigenes Reich. Zeigen stolz das Puppenhaus vor, die Sammlung von Baseballkarten. Zögernd rang Katie sich ein Lächeln ab. »Hier entlang«, und sie wandte sich Richtung Treppe.
    Ich umarmte Leda rasch und heftig, dann drehte ich mich zu Katie um. Ich nahm die Schultern zurück und folgte ihr. Und so gern ich es auch getan hätte, ich blickte nicht zurück.
    Als ich hinter Katie die Treppe hinaufging, fiel mir auf, wie schwer sie sich auf das Geländer stützte. Immerhin hatte sie gerade erst ein Kind geboren – die meisten Frauen in ihrem Zustand wären noch im Krankenhaus, und Katie spielte die Gastgeberin. Oben an der Treppe griff ich nach ihrer Schulter. »Geht’s dir … gut?«
    Sie starrte mich verständnislos an. »Mir geht’s gut, danke.« Sie drehte

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