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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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auch manches anders machen.«
    Ellie spürte Skepsis in sich aufsteigen. Wollte Katie ihr vorschlagen, einen Ausflug in die Stadt zu machen? Eine Packung Zigaretten zu besorgen? Ein paar Stunden zusammen über die Stränge zu schlagen?
    »Ich hab gedacht, daß wir vielleicht Freundinnen werden könnten. Bloß für diesen Nachmittag. Du könntest so tun, als ob du mich kennengelernt hättest, während du zu Besuch auf der Farm bist, die du als Kind besucht hast, und nicht so, wie es wirklich war.«
    Ellie legte ihr Buch aus der Hand. Wenn sie Katies Freundschaft gewann und das Mädchen dazu brachte, sich ihr gegenüber so zu öffnen, daß sie die Wahrheit sagte, wäre es vielleicht nicht mehr nötig, daß Coop sie unter die Lupe nahm. »Als ich klein war«, sagte Ellie bedächtig, »konnte ich Steine weiter und öfter übers Wasser hüpfen lassen als alle meine Vettern.«
    Ein Lächeln erblühte auf Katies Gesicht. »Kannst du das immer noch, was meinst du?«
    Sie drängten sich durch die Tür und rannten nach draußen. Am Teich angekommen, suchte Ellie sich einen glatten, flachen Stein, warf und zählte mit, während er fünfmal über das Wasser hüpfte. Sie dehnte die Finger. »Immer noch die alte Meisterhand.«
    Katie hob ebenfalls einen Stein auf. Vier, fünf, sechs Sprünge. Mit einem breiten Grinsen wandte sie sich zu Ellie um. »Tolle Meisterhand«, sagte sie neckend.
    Ellie kniff konzentriert die Augen zusammen und versuchte es erneut. Einen Moment später tat Katie es ihr gleich. »Ha!« krähte Ellie. »Gewonnen!«
    »Nix da!«
    »Ich war besser, ganz eindeutig!«
    »So hab ich das aber nicht gesehen«, widersprach Katie.
    »Ja, klar. Als Augenzeugin bist du ja genauso unschlagbar.« Als Katie neben ihr erstarrte, seufzte Ellie. »Tut mir leid. Es fällt mir schwer, nicht daran zu denken, warum ich eigentlich hier bin.«
    »Du solltest eigentlich hier sein, weil du mir glaubst.«
    »Nicht unbedingt. Als Strafverteidigerin werde ich dafür bezahlt, die Geschworenen dazu zu bringen, mir jedes Wort zu glauben. Das kann das sein, was meine Mandantin mir erzählt hat, muß es aber nicht.«
    Als sie Katies verblüffte Miene sah, mußte Ellie lächeln. »Das muß sich ziemlich seltsam für dich anhören.«
    »Ich verstehe nicht, warum der Richter nicht einfach entscheidet, wer die Wahrheit sagt.«
    Ellie riß einen Halm Timotheusgras aus und steckte ihn sich zwischen die Zähne. »So einfach ist das nicht. Es geht darum, die Rechte der Menschen zu verteidigen. Und manchmal sind die Dinge selbst für einen Richter nicht einfach nur schwarz oder weiß.«
    »Sie sind immer schwarz oder weiß, wenn man schlicht ist«, erwiderte Katie. »Wenn du dich an die Ordnung hältst, ist alles in Ordnung. Wenn du die Regeln brichst, wirst du ausgestoßen.«
    »Tja, in unserer Welt ist das Kommunismus.« Ellie hielt inne. »Was, wenn du es nicht getan hast? Was, wenn du beschuldigt würdest, eine Regel gebrochen zu haben, obwohl du vollkommen unschuldig bist?«
    Katie wurde rot. »In der Gemeindeversammlung, in der über die Disziplinierung entschieden wird, hat das beschuldigte Gemeindemitglied Gelegenheit, seine Version zu erzählen.«
    »Ja, aber glaubt ihm irgend jemand?« Ellie zuckte die Achseln. »An dem Punkt treten wir Verteidiger auf den Plan – wir überzeugen die Geschworenen davon, daß unser Mandant das Verbrechen möglicherweise nicht begangen hat.«
    »Und wenn doch?«
    »Dann wird er trotzdem freigesprochen. Das kommt auch manchmal vor.«
    Katie klappte der Unterkiefer runter. »Das heißt also, ihr müßt lügen?«
    »Nein, wir müssen die Wahrheit manchmal in einem bestimmten Licht darstellen. Das, was jemanden vor Gericht gebracht hat, kann man auf ganz unterschiedliche Weise betrachten. Als Lüge gilt nur, wenn der Mandant nicht die Wahrheit sagt. Anwälte – na ja, wir können zur Erklärung so ziemlich alles sagen, was wir wollen.«
    »Und … würdest du für mich lügen?«
    Ellie erwiderte ihren Blick. »Würde ich das müssen?«
    »Alles, was ich dir gesagt habe, entspricht der Wahrheit.«
    Ellie setzte sich ins Gras. »Also schön. Was hast du mir nicht erzählt?«
    Ein Spatz flatterte auf und warf einen Schatten über Katies Gesicht. »Es ist nicht unsere Art zu lügen«, sagte sie steif. »Deshalb kann ein schlichter Mensch auch allein vor der Versammlung für sich einstehen. Deshalb haben Verteidiger keinen Platz in unserer Welt.«
    Zu ihrer Verwunderung lachte Ellie. »Wem sagst du das. Mein Lebtag

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