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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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daß der ganze technische Aufwand sie einschüchterte. Da der Detektor jedoch auf nervliche Anspannung reagierte, durfte Katie keine Angst haben, ganz gleich, was sie ausgelöst hatte.
    »Ich werde Ihnen ein paar Fragen stellen«, sagte Bull. »Sehen Sie das hier? Das ist bloß ein kleiner alter Kassettenrecorder. Und das hier ist ein Mikrofon.« Er klopfte mit dem Fingernagel darauf. »Und dieser Apparat ist so was Ähnliches wie die Seismographen, die Erdbeben verzeichnen.«
    Katies Finger waren weiß, so fest drückte sie Sarahs Hand. »Entspann dich«, sagte ich und strich ihr über den Arm. »Du mußt bloß ja oder nein antworten.«
    Letztlich gelang es nicht mir, sondern Bull, indem er ein Ablenkungsgespräch über Jersey-Kühe und den Sahnegehalt ihrer Milch anfing. Als Katie sah, wie ihre Mutter mit dem Fremden über ein vertrautes Thema sprach, entspannten sich ihre Nerven.
    Das Band setzte sich in Bewegung. »Wie heißen Sie?« fragte Bull.
    »Katie Fisher.«
    »Sind Sie achtzehn Jahre alt?«
    »Ja.«
    »Leben Sie in Lancaster County?«
    »Ja.«
    »Sind Sie eine getaufte Amische?«
    »Ja.«
    Ich saß neben Bull und lauschte den einleitenden Fragen, die ich formuliert hatte. Von meinem Platz aus konnte ich die Nadel am Lügendetektor und die aufgezeichneten Reaktionen sehen, bislang nichts Auffälliges. Dann kam Bull zur Sache.
    »Kennen Sie Samuel Stoltzfus?«
    »Ja«, sagte Katie, mit etwas dünnerer Stimme.
    »Hatten Sie je sexuelle Beziehungen zu Samuel Stoltzfus?«
    »Nein.«
    »Waren Sie je schwanger?«
    Katie sah ihre Mutter an. »Nein«, sagte sie.
    Die Nadel blieb ruhig.
    »Haben Sie je ein Kind geboren?«
    »Nein.«
    »Haben Sie Ihr Kind getötet?«
    »Nein«, sagte Katie.
    Trumbull schaltete das Gerät aus und riß den langen Ausdruck ab. Er markierte ein paar Stellen, wo die Nadel leicht ausgeschlagen hatte, aber wir wußten beide, daß keine der Reaktionen auf eine eindeutige Lüge schließen ließ. »Sie haben bestanden«, sagte er.
    Katies Augen wurden groß vor Freude, sie sah mich an und lächelte. »Das ist gut, nicht? Das kannst du den Geschworenen doch vorlegen, oder?«
    Ich nickte. »Das war ein wichtiger Schritt nach vorn. Aber wir sollten einen zweiten Test machen. Das ist noch überzeugender.« Ich bat Bull, erneut alles vorzubereiten.
    Sehr viel gelöster setzte Katie sich wieder hin und wartete geduldig, bis Bull das Mikrofon ausgerichtet hatte. Ich hörte zu, wie sie die gleichen Antworten auf die gleiche Reihe von Fragen gab.
    Als Katie fertig war, lächelte sie mit rosigen Wangen ihre Mutter an. Bull riß den Ausdruck ab und umkringelte die Stellen, wo die Nadel ausgeschlagen hatte – bei einer Antwort sogar bis über den Rand des Papiers. Diesmal hatte Katie dreimal gelogen, und zwar auf die Fragen, ob sie schwanger gewesen war, ob sie ein Kind bekommen hatte und ob sie es getötet hatte.
    »Verblüffend«, raunte Bull mir zu, »wo sie doch beim zweitenmal viel entspannter war.« Er fing an, Drähte und Anschlüsse auszustöpseln. »Aber vielleicht ja auch gerade deshalb.«
    Somit konnte ich den ersten Test nicht als Beweismittel verwenden – nicht, ohne der Staatsanwaltschaft auch den zweiten vorzulegen, bei dem Katie mit Pauken und Trompeten durchgefallen war. Es bedeutete, daß das Ergebnis des Lügendetektortests ohne Beweiskraft war.
    Mit leuchtenden Augen und ahnungslos sah Katie zu mir hoch. »Sind wir fertig?«
    »Ja«, sagte ich leise. »Fix und fertig.«
    Es gehörte zu Katies Aufgaben, die Kälber zu füttern. Ein paar Tage nach der Geburt wurden sie von ihren Müttern getrennt und in kleinen Verschlägen untergebracht, die in einer Reihe neben dem Stall standen. Katie und ich hatten jeweils ein Fläschchen dabei – die Kälber wurden mit Babynahrung gefüttert, damit sie nicht die kostbare Milch von ihren Müttern verbrauchten. »Du kannst Sadie nehmen«, sagte sie, womit sie das Kälbchen meinte, das vor meinen Augen zur Welt gekommen war. »Ich übernehme Gideon.«
    Sadie war schon zu einem hübschen kleinen Kalb herangewachsen. Ihre rauhe Nase zuckte, als sie das Fertigfutter roch. »Hallo, mein Mädchen«, sagte ich und tätschelte ihren schönen harten Kopf. »Hast du Hunger?«
    Ich gab ihr die Flasche und bemerkte, daß Sadie in ihrem kleinen Gefängnis überflüssigerweise angekettet war. Als Katie mir den Rücken zuwandte, löste ich den Haken am Halsband des Kälbchens von der Kette. Wie erwartet, schien Sadie es nicht einmal zu bemerken. Als Katie mir

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